BBL Serienvorschau Halbfinale 23/24: ALBA Berlin - NINERS Chemnitz - Spiel 5
6.6.2024 um 11:30 von
Author: Junes
Win or go home! Die Halbfinal-Serie zwischen ALBA Berlin und den NINERS Chemnitz geht in ein entscheidendes fünftes Spiel, das erste fünfte Spiel seit der Halbfinal-Serie zwischen dem FC Bayern Basketball und den Telekom Baskets Bonn 2021/2022. Überraschend wenige haben mit fünf Spielen in dieser Serie gerechnet, dabei gab es Indizien, die eine ausgeglichene Serie prognostizierten und ein Spiel 5 für gar nicht so unrealistisch erscheinen ließen. Grund genug, auf die bisherigen vier Spiele zurückzublicken und nochmal einen detaillierten Blick auf das Entscheidungsspiel in Berlin zu werfen.
Spiel 1: Ein Statement-Sieg der NINERS. Die Mannschaft von Rodrigo Pastore kam raus wie die Feuerwehr und setzte von Beginn an den Ton, was Energie und Motivation betrifft. Die Berliner versuchten zwar dagegenzuhalten, ließen sich aber etwas überrumpeln und hätte Sterling Brown nach seiner Einwechslung nicht völlig Feuer gefangen, hätte ALBA schon früher deutlich zurückgelegen. Erst in den Schlussminuten der ersten Halbzeit setzte sich Chemnitz das erste Mal deutlicher ab und blickte nie zurück. Zwar kam ALBA im Schlussviertel nochmal auf 6 Punkte ran, doch 47 Punkte von Johannes Thiemann und Brown waren zu wenig.
Spiel 2: Die Statement-Antwort von ALBA. Alles, was in Spiel 1 noch den NINERS gelang, gelang den Berlinern, Rebounds, Dreier, mit 27-17 setzte Berlin früh ein Zeichen und kontrollierte von da an die Partie. Und sie erreichten dies als Team, alle eingesetzten Spieler punkteten und keiner scorte mehr als 13 Punkte. Die NINERS wirkten zufrieden mit dem Steal in Spiel 1 und der Möglichkeit, die Serie zu Hause zu entscheiden.
Spiel 3: Von Monster-Comebacks und Debakeln. Eine alte Basketball-Weisheit besagt, es sei nicht wichtig, wie man das Spiel beginnt, sondern wie man es beendet. Besser lässt sich Spiel 3 nicht beschreiben. Die Berliner starteten, wie schon in Spiel 2, brandheiß in die Partie und kontrollierten von da an das Spiel, auch wenn Chemnitz die konstant am Vorsprung nagte, aber schon in der ersten Halbzeit Kevin Yebo mit einem disqualifizierenden Foul verlor. Als Justin Bean aber Mitte des dritten Viertels mit seinem Dreier die höchste Führung des Spiels für Berlin besorgte, schien ALBA kurz davor sich den Heimvorteil zurückzuholen. Was allerdings folgte, war ein riesiger Kraftakt der NINERS, die im Anschluss die verbleibenden 15 Minuten zu einem 45-16 Turnaround nutzten und sich den Matchball in der heimischen Messe sichern konnten.
Spiel 4: Von Monster-Comebacks und Debakeln, der zweite Teil. Nur wenig deutete zur Pause darauf hin, dass sich beide Teams für ein fünftes Spiel in Berlin treffen werden. Berlin war zwar offensiv solide im Spiel, defensiv konnte man aber kaum einen Stopp generieren und irrte wie ein kopfloser Hühnerhaufen durch die Defensive. Spätestens als Sterling Brown Mitte des dritten Viertels, mit viel Frust über das bisherige Spiel geladen, Jeff Garrett unsportlich mit den Beinen in die Zange nahm und völlig zurecht sein U bekam, wirkte es so als müsste Chemnitz die Tickets nach München buchen. Doch die Situation schien einen Knopf bei den Berlinern zu drücken. ALBA war plötzlich präsent und fokussiert und begann nun ihrerseits den zehn Punkte Rückstand Possession für Possession abzutragen. Und wie Chemnitz im Spiel zuvor gelang es den Albatrossen im vierten Viertel den bisherigen Spielverlauf auf den Kopf zu stellen und den Matchball vor heimischer Kulisse zu erzwingen.
Die Geschichte der Serie ist noch nicht zu Ende geschrieben und der bisherige Verlauf lässt nur wenig verlässliche Prognosen für das letzte Kapitel zu. In Spiel 1 und 3 gelang es Chemnitz, die Storyline für die beiden ortsansässigen Spiele zu schreiben, ALBA gelang es in Spiel 2 und 4 nicht nur zu kontern, sondern auch auf verblüffend ähnliche Art und Weise wie die NINERS ihre Spiele gewannen. Gesetz der Serie wird auch in Spiel 5 Chemnitz dem Spiel seinen Stempel aufdrücken, aber es ist ein Do or Die Spiel, alles kann passieren.
Die Personallage:
ALBA Berlin: Für Ziga Samar, Matteo Spagnolo und Gabriele Procida ist die Saison schon länger vorbei, in Spiel 4 hat sich nun auch Martin Hermansson verletzt und sein letztes Spiel bestritten. Bei Johannes Thiemann ist ein Einsatz nach dem Wegrutschen in Spiel 3 fraglich.
NINERS Chemnitz: Kevin Yebo kehrt nach seiner Sperre für das entscheidende Spiel zurück, bleibt für Rodrigo Pastore nur die Frage, ob er Tyler Ongwae oder Ousman Krubally als siebten Ausländer draußen lässt.
Die Key-Faktoren:
Energie: Die Saison war für beide Teams lang, mit bereits vier Spielen in acht Tagen und den Verläufen hat die Serie allen Beteiligten schon viel abverlangt. In den letzten beiden Spielen gelang beiden Teams in der zweiten Hälfte ein Comeback, das Kraft gekostet haben wird, bei einem niedrigen Energielevel auf einer Seite könnte die andere mit einem frühen, deutlichen Zeichen die Partie in eine entscheidende Richtung lenken.
Physis: Bis auf wenige Situationen haben die Schiedsrichter bisher in der Serie eine Linie gefunden, auf die sich alle Beteiligten gut einstellen konnten und keiner davon groß profitierte. Je niedriger allerdings das Energielevel, desto unsauberer werden die Aktionen und das Spiel wird sich dann verändern.
Führungsqualitäten: In solchen Spielen werden Helden geboren. Den Berlinern fehlen alle etatmäßigen Point Guards, sodass sich das Helden-Narrativ dort besonders leicht spinnen lassen würde, doch auch bei den NINERS gibt es dafür viel Potential: Es winkt die erste nationale Finalteilnahme auf dem höchsten Niveau. Es werden Spieler auf beiden Seiten nochmal einen Schritt nach vorne machen müssen, will man am Samstag im BMW Park auflaufen.
Coaching-Duell: Eigentlich dürfte dies kein wirklich relevanter Punkt sein, denn Israel Gonzalez ist nicht dafür bekannt, viel im Spiel an seiner Mannschaft zu verändern, während Pastore immer wieder mit verschiedenen Ideen ins Spiel eingreift. Doch ohne PG wird der ALBA-Coach gezwungen sein, mutig größere Eingriffe vorzunehmen.
Die Key-Player:
Sterling Brown: Für den Europa-Rookie dürfte die erste Saison in Übersee bisher eher eine Enttäuschung sein. Anpassungsprobleme und fehlende Konstanz prägten seine Saison im ALBA-Dress, doch in der Serie gegen Chemnitz blüht er richtig auf. Ohne PG wird der Flügelspieler viel Verantwortung in der Offensive schultern müssen, als Scorer und als Floor General. Er kann diesem fünften Spiel mit seinen Fähigkeiten den Stempel aufdrücken.
Tim Schneider/Louis Olinde: Ja, an diesem Punkt wird leicht gecheatet, doch mit einer guten Begründung, denn die Argumente passen für beide nahezu perfekt. In ALBAs Situation müssen alle mehr Verantwortung übernehmen und beide Spieler sind die idealen Kandidaten dafür ein Spiel rauszuhauen, was einen staunend und fragend zurücklässt, bevor sie dann wieder ein halbes Jahr komplett abtauchen. Mit ihrer Athletik, Beweglichkeit und dem Wurf von draußen können sie dem athletischen Frontcourt der Chemnitzer Paroli bieten und auf beiden Seiten wichtige Akzente setzen.
DeAndre Lansdowne: Es wäre eine Geschichte, die nur der Sport schreiben kann, sollte DeAndre Lansdowne sein Team in dieses historische, erste Finale führen. Vor neun Jahren begann die Karriere des 35-jährigen in der ProB in Herten, von dort aus arbeitete sich der Guard bis in die Spitze Europas und wird alles dafür tun, dass die NINERS die Chance auf den zweiten Titel der Saison haben werden.
Kevin Yebo: Die ungeplante Zwangspause könnte für den MVP-Kandidaten eine erfrischende Wirkung gehabt haben, mit voller Energie wird der Big Man in das Entscheidungsspiel gehen und sollte Thiemann bei den Gastgebern ausfallen, hat der Chemnitzer alle Mittel um diesem Spiel seinen Stempel aufzudrücken. Yebo hat sich unter Pastores Regie von einem athletischen Springer zu einem variablen Scorer entwickelt, der von fast jeder Position auf dem Feld aus treffen kann.
Zum Abschluss noch eine kleine persönliche Note:
Habt ihr ein entschiedenes Gefühl aus dieser Vorschau für das fünfte Spiel zwischen ALBA Berlin und den Chemnitz NINERS mitnehmen können? Wenn nicht, dann hoffe ich, dass es nicht an meinen Worten lag, sondern daran, dass ihr, wie ich, alles für möglich in diesem Spiel haltet. Die Vorzeichen stehen zwar aufgrund der Verletzungen eher auf Seiten der NINERS, doch einen klaren Favoriten zu bestimmen dürfte allen schwerfallen. Ich wünsche allen Beteiligten viel Spaß an diesem fünften Spiel und hoffe, es gibt keine weiteren Verletzungen!
Mein Tipp: ALBA Berlin setzt sich durch, einfach, weil das Narrativ das bessere ist.