Deutschland vs. Europa - Ist man wirklich so schlecht wie immer dargestellt?
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Nachdem die Diskussion um Quoten/Bauermann etwas aus dem Ruder gelaufen ist und immer wieder die Schwäche des deutschen Nachwuchses bemängelt wurde wollte ich auch mal hierzu Stellung nehmen. Da dies jedoch im QuotenThread etwas untergegangen wäre habe ich einfach mal einen neuen, DeutschNachwuchs-spezifischen Thread aufgemacht. Danke übrigens an die SD-User die mich um meine Meinung gebeten haben, dass ich jetzt hier meine Zeit verschwende
Zuerst einmal wollte ich schauen wie ist die Situation in den einzelnen europäischen Ländern
Deutschland: NBBL (seit 3 Jahren) und demnächst JBBL
Eigentlich eine sehr gute Entwicklung da jetzt die besten Spieler in Teams zusammengezogen werden und sich nicht mehr nur auf Landesebene treffen sonder bundesweit. Das Niveau ist korrekt und hat das Interesse am Jugendbasketball sicherlich sehr stark gesteigert. Wenn teilweise bis zu 500 Leute zu nem NBBL Playoff Spiel oder mehr als 1500 zu nem Top4 kommen finde ich das sensationell. Das gibt es nirgendwo sonst in Europa.Frankreich: Espoirs Meisterschaft und INSEP
Die französiche Espoirs Meisterschaft gibt es schon seit bestimmt 20 Jahren. Jeder ProA (höchste Liga) ist verpflichtet ein Espoirs Team zu unterhalten und die Spiele finden jeweils vor dem Profiteam in der gleichen Halle zum gleichen Spielplan statt. Jedoch meistens kaum von den Medien und Zuschauern beachtet. Seit diesem Jahr erst gibt es eine Internetseite wo man die Resultat und Stats verfolgen kann. Da war Deutschland also schon etwas voraus. Als Espoirs gilt die Kategorie U22, das heisst dieses Jahr alles was in 88 oder früher geboren wurde. Hier ist auch eines der Probleme meiner Meinung nach. Soll ein 22jähriger noch Jugendmeisterschaften spielen? Macht es Sinn einen 22 jährigen noch per Jugendmeisterschaften zu “fördern”? Denn ein wichtiger Unterschied zu Deutschland ist dass die französichen Teams sehr sehr viel Geld ihres Budgets von der Stadt/Region erhalten (also Steuergelder). Deshalb haben Sie auch einen gewissen öffentlichen Druck dieses Geld in die Förderung junger Spieler (aus der Region) zu stecken. Jedoch wird die Nachwuchsförserung nicht überall sehr ernst genommen. Cholet, Dijon oder Pau-Orthez bringen immer wieder neue gute Spieler hervor wohingegen andere das Espoirs Team sträflich vernachlässigen da es glaube ich keinen Mindestbetrag gibt den man darin investieren muss.
Eine Besonderheit in Frankreich ist das INSEP. INSEP ist eine nationale Sportschule in Paris wo die besten aller Athleten in olympischen Sportarten zusammen trainieren können. Das gilt also auch für Basketball. Das INSEP zieht daher immer die besten aller Talente aus ganz Frankreich zusammen um daraus den Stamm der jeweiligen U16/U18 Nationalmannschaft zu bauen. Der schulische Abschluss erfolgt mit einem Diplom des Lycée, einer Hochschulreife. Das INSEP spielt in der Nationale 1 (ähnlich der deutschen ProB) in der normalen Meisterschaft mit, kann aber nicht absteigen. Meistens beendet man die Saison auf den hinteren Plätzen. Ein paar Namen von Spielern die das INSEP durchlaufen haben: Tony Parker, Boris Diaw, Ronny Turiaf aber auch Leute wie Maxime Renaud oder Vincent Margueritte die heute kaum jemand noch kennt. Das Problem das auftaucht ist natürlich dass die Originalvereine manchmal ihre besten Spieler nicht hergeben wollen. Ein Nicolas Batum hat zum Beispiel nicht das INSEP durchlaufen sondern ist in Le Mans geblieben. Ich denke dass dies in Deutschland auch ein Problem wäre da niemand garantiert dass der Spieler nach seinem INSEP zurück zu seinem Ursprungsverein wechselt. Nach dem INSEP müssen die Spieler bei einem ProA unterschreiben und dürfen das erste Jahr nicht ausgeliehen werden was eine irrsinnige Regel ist da fast kein Spieler es schafft sich nach dem INSEP, also mit 19 bei einem Profiteam durchzusetzen (Ausnahmen wie Parker oder Diaw natürlich).Spanien: U20 Turniere
In Spanien werden die bekannstesten Jugendmeisterschaften in der U20 Kategorie durchgeführt. Die U20 Teams treffen sich in Regelmässigen Abständen wo dann Miniturniere gespielt werden mit jeweils 4 Mannschaften. Diese Meisterschaften werden vom spanischen Verband organisiert und nicht von der ACB. Diese Turniere sind sicherlich die Jugendmeisterschaften mit dem höchsten BasketballLevel. Hat aber einen Grund. Hier mal die Namen der besten Spieler (gemäss Valoracion ähnlich der deutschen Effektivität) bei dem letzten U20 Turnier: Christian Eyenga, Jordan Burger, David Jelinek, Michel Diouf, Alvaro Nunez. Für eine andere 4er Gruppe: Xavi Rabaseda, Bojan Bogdanovic, Michel Diouf, Nikos Pappas, Miguel Lorenzo Leis. Worauf ich hinauswill ist klar. In Spanien ist es soweit dass die Jugendliga von Ausländer dominiert wird. Dies ist in der NBBL nicht der Fall bisher, aber ich denke dass die NBBL Teams mehr und mehr im Ausland anfangen zu scouten um Spieler zu holen. Urspring hat das ja schon vorgemacht (Wiseler, Radosavljevic) genauso wie Oldenburg (Oladimeji, Iremiren). Das Problem dabei ist dass man vielleicht eine der besten Jugendligen hat, aber damit schon auf dem U20 Level den einheimischen Spielern keine Minuten mehr gibt. Hier wird Spanien in ein paar Jahren ein grossen Problem haben meiner Meinung nach.Italien: hier kenne ich mich nicht so aus. Aber die letzten Jahre sieht man einen guten Fortschritt was das Level der Jugendteams angeht (siehe Montepaschi Siena beim NIJT zum Beispiel)
Balkan: hier hat man eine sehr spezifische Situation da es keine gemeinsame U18 oder was auch immer AdriaLiga mehr gibt. Es gibt jeweils nationale Jugendligen aber keine mehr für GesamtBalkan. Jedoch ist der Level der Spieler immer noch sehr sehr hoch im Vergleich zu anderen Gegenden Europas und die regelmässigen Erfolge von Talentschmieden wie FMP auf dem internationalen Parkett bezeugen dies. Hier wird jedoch auch ein sehr sehr intensives Scouting betrieben und es herrscht ein Kampf zwischen den Teams um die besten Spieler an sich zu binden. Der Vorteil dieser Region ist halt dass die jungen Spieler sehr schnell auch auf dem Profilevel Verantwortung übernehmen müssen da jedes Jahr die besten Spieler die Gegend gen Spanien, Italien, usw verlassen.
Baltikum/Litauen: EYBL (European Youth Basketball League), Schulligen, Uniligen, private Basketballschulen
Hier gibt es von allem. Neben den bekannten Basketballschulen wie die Sabonis School oder Marciulonis School hat fast jede Stadt ihre eigenen oder mehrere Basketball schulen die sich oft aus privaten Mitteln finanzieren oder über Schuleigene Basketballspielervermittlungsagenturen.
Die EYBL setzt sich aus Teams aus Weissrussland, Dänemark, Estland, Finland, Kazakhstan, Lettland, Litauen, Polen, Russland, Schweden und der Ukraine zusammen und funktionniert ähnlich dem spanischen System mit regelmässigen Miniturnieren auf jeweils 2 Leistungsniveaus. Das ganze gibt es dann in den Kategorien U19, U17, U16, U15 und U14. Der Meister wird am Ende jeweils in einem Final4 gekrönt.Was ist die aktuelle deutsche Basketballergeneration wert?
Ich habe mal die Resultate der jeweiligen Jugendeuropameisterschaften verglichen. Deutschland hat am besten mit der Generation Nowitzki abgeschnitten, welch Zufall (8ter Platz auf dem U18 Level). das ist jetzt 12 Jahre her. Die aktuell talentierteste deutsche Generation ist der 89er Stamm um Benzing, Schwethelm, Standhardinger Harris die im Durchschnitt einen 12ten Rang erreicht haben bei der U16 und U18. Soviel als Vergleich. Ähnliche Resultate hatte zuletzt die Generation 83-84-85 um Leute wie Schaffartzik, Zwiener oder Herber. Also die die momentan in Deutschland noch als Talent gelten Man kann also davon ausgehen dass momentan bei den 88-89-90 ein paar zukünftige Nationalspieler dabei sind. Ein Dirk Nowitzki mag nicht dabei sein. Etwas was man jedoch auch merkt ist dass die deutschen Spieler oft Spätentwickler sind. Damit meine ich dass die Resultate der A-Nationalmannschaft die der Jugendnationalmannschaften pro Generation oft übertreffen. Etwas was zum Beispiel in Ländern wie Kroatien oder Frankreich nicht der Fall ist.Eine Frage die oft aufkommt ist ob ein Benzing, Zirbes oder Harris einen Schlatter, Paul Johnson oder Ricky Hickman ersetzen können?
Die Frage ist erstmal was man sich erwartet. Ein Zirbes zum Beispiel hat ja manchmal ein paar Minuten bekommen in Trier, gegen Frankfurt zum Beispiel auch mal 20 bei einer Verletzung. Das Resultat waren 8pkt und 4rebs sowie eine 23 Punkte Niederlage. Das lag sicherlich nich an Zirbes aber es ist nun mal so dass es ums Siegen geht und nicht ums Ausbilden. Meiner Meinung nach ist es eh besser wenn ein Benzing in der ProA (im Moment) 35 Minuten spielt und 18ppg auflegt als wenn er in Frankfurt ähnlich viel Spielzeit erhält wie ein Bahiense de Mello. Man sagt ja dass die Amis “fertiger” und “erfahrener” sind als die Deutschen wenn sie nach Deutschland kommen. Also kann ein Benzing ruhig auch noch Erfahrung sammeln und dann in die BBL wechseln wenn er bereit ist regelmässig 15-25 Minuten zu spielen. Ein zu früher Wechsel in die BBL bringt meiner Meinung in der aktuellen Konstellation gar nix.Was die aktuellen 88-91er angeht sind sicherlich ein paar sehr talentierte Leute dabei die sicherlich auch einen 9er oder 10er Rotationsplatz verdient haben. Bis auf sehr wenige Ausnahmen (Günther, Ohlbrecht, Pleiss, Schwethelm) sind aber keine Leute in der BBL auch aktiv (ausser beim Warmmachen). Bei kleineren Teams ist dieser Durchbruch auf jeden Fall eher zu bewerkstelligen als bei ALBA oder Brose da dort eben keine Kistenschlepperamis spielen. Dies ist auch in anderen Ländern so. Wo sind denn die Supertalente bei Real Madrid oder Panathinaikos? Die spielen in den Reservemannschaften oder existieren überhaupt nicht. Ein Sergio Llull hat auch erst als 22jähriger den Durchbruch geschafft obwohl bestimmt alle vorher bei Real wussten welch Potential er hat, sass er bis dieses Jahr immer nur auf der Bank (wenn überhaupt) und eine Verletzung hat ihn in die Rotation gebracht. Durch das Aufstocken der Quote auf 4 nächste Saison müssen einige Teams handeln. Ein Team wie Oldenburg muss sich was einfallen lassen da sie bisher mit 9 Ausländern spielen die auch auf dem Feld regelmässig stehen. Ich glaube nicht dass sie ein EuroCup Team leisten kann nur ne 8er Rotation zu spielen. Also muss ein Miladin Pekovic oder Jonathan Wallace durch einen deutsch ersetzt werden. Die Verpflichtung von Femi Oladipo während der Saison zeigt auf jeden Fall mal dass man schon etwas vorausschaut. Auch ALBA muss nächstes Jahr zumindest einen Ausländer durch einen Deutschen ersetzen.
So ich glaube das reicht erstmal
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Danke für die Mühe, die du dir gemacht hast, das klingt ja echt fundiert und mein Fachwissen auf dem Gebiet der Nachwuchsförderung ist nun eher begrenzt.
Ansonsten kann ich dir in vielen Punkten bezüglich der deutschen Situation nur zustimmen, das sehe ich ähnlich wie du.
Ich denke die Talente sind durchaus da, was draus gemacht wird liegt letzendlich zu einem großen Teil auch an den Spielern selbst. Ich muss mir als Jugendspieler oder Deutscher überlegen, zu welchem Team ich gehe und wieviel Geld ich verlange. Es gibt genug Teams in der Liga, die einen Zwiener, Herber, deMello, etc. nehmen würden und ihnen weit zweistellige Einsatzzeiten geben würden, in denen sie ihr können entweder beweisen oder der Mannschaft helfen können. Die deutschen Spieler sollen nicht für Brot und Wasser spielen, aber auch kein gegenüber Amerikanern überzogenes Gehalt erwarten, dann werden die Vereine auch auf diese setzen, bei genügender Leistung wird Spielzeit abfallen und die Entwicklung nimmt ihren Lauf.
Ansonsten kann ich der These “lieber 30 mpg ProA statt 3 mpg BBL” nur zustimmen. -
Schönen Dunk, Christophe, für deinen fundierten Überblick.
Ich denke, ein Knackpunkt, der in der Nachwuchsdiskussion in Deutschland selten angesprochen wird, ist die Tatsache, dass ein nicht geringer Teil der talentiertesten 19 oder 20jährigen lieber ans College in die USA geht (nächste Saison wohl Standhardinger und Harris), als den Sprung in die BBL über die Pro A anzugehen. Das ließe einerseits den Schluss zu, dass es möglicherweise ein strukturelles Problem der Talentförderung gibt, das auftritt, wenn die Spieler die Jugendteams verlassen haben. Ich denke aber eher, dass es die Möglichkeit ist, in der USA, eine ideale duale Ausbildung auf dem Court und außerhalb zu erhalten. Da die NCAA jüngst die Rekrutierungsrichtlinien für ausländische Nachwuchsspieler dahingehend verschärft hat, dass sogar schon ein Spieler, der nur mit bezahlen Profis zusammengespielt hat, eine einjährige Sperre befürchten muss, könnte manchen 19jährigen, der mit dem College liebäugelt, dazu verleiten, im Zweifel lieber ein Jahr eine Liga tiefer bei niedriegerem sportlichen Niveau zu spielen.
Kein lebenswichtiger Punkt, aber ein interessanter Randaspekt, wie ich finde.
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Zur U22 in Frankreich: Aus meiner Sicht auch für Deutschland einen Gedanken wert.
Da hierzulande ja meistens erst sehr spät angefangen wird, viel und hart zu trainieren, entwickeln sich die Spieler halt auch später. Das Resultat kann man problemlos an den Ergebnissen der Jugendnationalmannschaften sehen.
Insofern brauchen die Spieler gerade in der Altersgruppe noch wahnsinnig viel Förderung. Die gibt es aber kaum. Vielleicht sollte man statt einer “Deutschen-Quote” mal über eine “U22-Quote” nachdenken. Nicht in der BBL, sondern in den Ligen darunter (ProA und ProB).
Noch ne Idee: Man baut sich aus den besten U22ern ein paar Teams, die dann gegeneinander in einer eigenen Liga spielen können. Sozusagen eine D-League in Deutschland, wobei die Spieler in Ihren normalen Vereinen weiter spielen können. Bei der Talentdichte dürfte es natürlich keine Regionalliga-ähnliche Liga sein wie die NBBL, sondern müsste vielleicht in zwei oder vier Divisionen aufgeteilt sein. Man muss ja da auch nicht so viele Spiele machen wie in der NBBL.
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On 2009-03-18 20:29, Gnorbert wrote:
Bei der Talentdichte dürfte es natürlich keine Regionalliga-ähnliche Liga sein wie die NBBL, sondern müsste vielleicht in zwei oder vier Divisionen aufgeteilt sein. Man muss ja da auch nicht so viele Spiele machen wie in der NBBL.Das verstehe ich nicht. Es gibt vier Regionalligen und vier NBBL-Divisionen. Wo ist da jetzt der Unterschied oder der Vorteil zu zwei oder vier Divisionen der von dir favorisierten U22-Liga?
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in der basketballgroßmacht irland haben die dazu doch folgendes system: die u22 oder u23 nationalmannschaft spielt ganz normal in der ersten liga dort mit, trainiert zusammen an einem standort… wie das genau läuft weis ich auch nicht, aber eine idee wär es ja auch. umsetzung in der stark profit-orientierten bbl aber sehr schwer.