Frustrierender Abschied eines ehemaligen Helden
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Skyliners-Spieler Kai Nürnberger hat seine letzte Saison in der Basketball-Bundesliga auf der Bank verbracht
Für andere ist der letzte Augenblick im Mittelpunkt, der letzte im Rampenlicht, nicht selten der Moment der finalen Gesten, der Schulterklopfer und der großen Gefühle. Für andere ist das Karriereende ein Tag ungebremster Emotionen, blumiger Reden und Erinnerungen an gemeinsame Zeiten. Für Kai Nürnberger war das Ende seiner letzten Bundesligasaison, der vierten bei den Opel Skyliners, “nur noch frustrierend, weil ich keine Chance mehr bekommen habe”. Egal wie hart Nürnberger, 37, Spielgestalter und Ballverteiler aus Leidenschaft, einer der alten Schule, der das Geschehen um sich herum lesen und in hektischen Situationen den Überblick behalten kann, auch gearbeitet hat. Was blieb, war stets ein Platz auf der Bank.
In Frankfurt wächst seit dem vergangenen Sommer nun mal ein junges Basketball-Team zusammen, eines, in dem für ehemalige Helden kein Platz mehr ist.
Die Vereinsführung ist seitdem nicht müde geworden zu betonen, mit Nürnberger sei doch alles abgesprochen, alles professionell im Umgang miteinander gewesen. Es gibt da eine andere Version. Nürnberger hat sie lange Zeit für sich behalten. Er wollte niemanden provozieren, keine Unruhe in die Mannschaft bringen, die mit genügend eigenen Problemen zu kämpfen hatte. Doch irgendwann musste es raus. Bereits vor mehr als einem Jahr hatte es die ersten Gespräche gegeben. Die Hessen thronten damals an der Spitze der Liga, Nürnberger sah seinen ersten Meistertitel zum Greifen nahe. Der fehlt noch immer im hauseigenen Trophäenschrank.
Es hieß, man wolle für ihn eine neue Aufgabe suchen, keinen Schreibtischjob, etwas Lebendiges. Nürnberger war einverstanden, hätte seine Karriere damals beendet. Die Wochen verstrichen, nichts passierte, der Verein “hat sich da nicht besonders schlau angestellt, war nicht ehrlich genug”. Eine Aufgabe wurde nicht gefunden, wenn überhaupt gesucht wurde. “Vielleicht war ich zu naiv”, sagt Nürnberger. Dann hat er seine Option gezogen und seinen Spieler-Vertrag verlängert. Von da an war Nürnberger zum Zuschauen verdammt, hat auf der Bank Frust geschoben. Headcoach Gordon Herbert hat gesagt, er habe den mehr als 130-fachen Nationalspieler “aus Respekt vor ihm” nicht bloß für ein paar Minuten spielen lassen. “So ein Spieler wie er braucht 15 bis 20 Minuten” (Herbert), die der Kanadier “hätte für mich finden müssen” (Nürnberger).
Schließlich ist Nürnberger auf nationalem Parkett nicht hoffnungslos verloren, er hat das bewiesen in den wenigen Augenblicken, die ihm vergönnt waren. Erfahrung wird einem nicht in die Wiege gelegt. Keiner strahlt diese Ruhe aus, er hat das Auge für seine Mitspieler, wirkt souverän. Er hat es “nie verstanden”, warum solche Qualitäten in Zeiten, in denen es bei den Skyliners teilweise chaotisch zuging, in denen sie ordentlich verteidigt, aber selten konstruktiv angegriffen haben, nicht mehr gefragt waren. Am Ende dieser Leidenszeit hat sich der “Altmeister”, wie ihn Robert Maras taufte, an sein Lebensmotto geklammert: “Don’t worry, be happy.” Leicht ist ihm das nicht gefallen. Man hat ihn nie mit einem breiten Grinsen auf der Bank sitzen sehen. Doch er wird dieses Jahr verkraften, weil er zuvor unzählige schöne Momente erlebt hatte, seit er seiner Schwiegermutter im fernen Illinois vor mehr als einem Jahrzehnt, als Nürnberger vom College aus in die Bundesliga zurückkehrte, versprach, in fünf Jahren wieder bei ihr zu sein. Damals war er zarte 23 Jahre alt, aus den fünf Jahren sind 14 geworden, bei Galatasaray Köln (1989 / 90), Steiner Bayreuth (1990 / 1991) in Bamberg (1991 bis 1999) und bei den Skyliners (1999 bis 2003) hat der Aufbauspieler die Fäden gezogen, war Pokalsieger (1992 und 2000) und 1993 Europameister…
Er habe seine Zeit hier “immer ganz geschickt hinauszögern können”, so Nürnberger, am Ende vielleicht sogar ein wenig zu lange. Was er so nie sagen würde. Nürnberger wird nun Umzugskisten packen, sein Auto wieder bei Sponsor Opel auf den Parkplatz stellen und zu seiner Familie nach Bamberg zurückkehren. Er wird nicht aufhören, Basketball zu spielen, “dazu war das Ende in Frankfurt zu abrupt”. Es fällt ihm schwer, die Sportstiefel an den Nagel zu hängen, “es macht mir zu viel Spaß”. Er wird Basketball-Trainer im beschaulichen Litzendorf und Fußball-Coach im nicht mehr pulsierenden Memmelsdorf. In beiden Teams spielt sein sieben Jahre alter Sohn Sean.
In einem Jahr wird Nürnberger zurück in die USA gehen, wie er es seiner Schwiegermutter versprochen hat. Er wird sich nicht auf die faule Haut legen, Illinois ist kein Rentnerparadies, “ich kann es mir gar nicht leisten, in Rente zu gehen”. Er hat nie Wert darauf gelegt, das große Geld zu verdienen, ist nie ins europäische Ausland gegangen. Er hat sich Rücklagen geschaffen, ohne sparsam zu sein. Man wird ihn zukünftig nicht pikfein in Anzug und Krawatte treffen, so etwas ist nichts für einen militanten Blue-Jeans-Verfechter. Er wird vielleicht mit Jugendlichen an der Highschool oder am College arbeiten, sie die Feinheiten des Basketballs lehren.
Er wird auch wieder verstärkt Golf spielen, sein Handicap steht bei 21, das gilt es zu verbessern. Selber Basketball spielt Kai Nürnberger dann höchstens “mit ein paar Freunden in der Church-League”, der Kirchen-Liga, und er wird mehr mit “einem weinenden denn einem lachenden Auge” an seine Bundesligazeit zurückdenken. Sie wird ihm fehlen. Selbst die Zeit in Frankfurt.
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Amen!
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Mit Nürnberger geht wirklich ein ganz großer “Kleiner” aus dem deutschen Basketball. Ich wünsche ihm viel Glück bei seinen neuen Aufgaben in den USA. Sein alles entscheidender Assist in der letzten Sekunde des EM-Finales 1993 auf Chris Welp ist sein persönliches Denkmal im deutschen Basketball, das länger im Gedächtnis hängen bleibt, als jede verkorkste Abschiedsrunde bei den Skyliners!
Es war schön, ihn in letztes Jahr noch in Tübingen auf dem Feld und nicht auf der Bank erlebt zu haben, auch wenn es für uns sportlich nicht sehr erquicklich war……Good luck Kai and keep your nose clean!
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Ja, es ist wirklich schade, daß er bei uns so wenig gespielt hat. Ich kann Herbert auch nicht so wirklich verstehen. Klar, wenn Kai dann mal kurz gespielt hat, dann hat er seine Abspielfehler und weiteres gemacht. Aber, das ist doch auch kein Wunder! Er hat so wenig gespielt, da kann sowas nicht auf Abruf klappen…
Ich werde ihn heute abend sehen auf der Abschlußfeier der Skyliners. Kai wird wohl eine Ehrung bekommen, aber mal ehrlich: Ein Spieler solchen Formats hat weitaus mehr verdient als sowas!
Kai wird uns (egal, ob Skyliners- oder Basketball-Fans generell) fehlen!!! -
Finde auch, daß Kai zum Abschluss seiner großartigen Karriere eine weitaus bessere Behandlung verdient hätte!!
Herberts Statement, ein Spieler von seinem Format bräuchte wenn dann 15-20 Minuten halte ich für lachhaft! Wenn er ihn so respektiert und geschätzt hätte, wie er es andeutete, hätte er sicher auch einen weg gefunden, ihn wenigstens 10 minuten spielzeit geben zu können!naja, ich wünsche ihm auch viel glück in seiner usa-zukunft!
mit ihm geht einer der großen Basketball-Charaktere des deutschen Basketballs! -
Ja, stimmt. Aber leider hat er den richtigen Zeitpunkt für seinen Abgang um mindestens zwei Jahre verpasst. Bin mal gespannt, ob der DBB ihn ordentlich verabschiedet.
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Korrekt. Hoffentlich macht Mike Koch nicht den gleichen Fehler. Aber es ist schon eine Kunst zu wissen, wann man aufhören muß/sollte.