Dreckiger Sieg
Am Samstag ging es im gut gefüllten Fanbus mal wieder in die Verbotene Stadt. Als assimilierter Kölner ist das für mich immer eine große mentale Herausforderung. Wenn Düsseldorf in irgendeiner Sportart antritt, egal in welcher Liga, dann bin ich für den Gegner. Das ist halt so. Nur Kölner verstehen das.
Nach dem desaströsen Auftritt gegen Karlsruhe ist für die Baskets Wiedergutmachung angesagt. Insbesondere darf man von Münster einen bedingungslosen Fight über 40 Minuten erwarten, der so gegen Karlsruhe nicht stattgefunden hatte. Gegen die Fächerstädter stand es nach vier Minuten und 20 Sekunden 2:10 aus Münsteraner Sicht, mit anderen Worten, man war schlecht ins Spiel gestartet, was den Baskets spürbar zusetzte. In Düsseldorf will man es auf jeden Fall besser machen.
Bill Murray war damals in der Zeitschleife gefangen, an jenem Murmeltiertag. Werden die Samstage für die Baskets zum chronischen Murmeltiertag? Diesmal dauert es nämlich nur vier Minuten und 11 Sekunden, da steht es 1:10. Eine schon fast erschreckende Duplizität der Ereignisse.
Götz Rohdewald nimmt die fällige Auszeit, und es folgt genau die richtige Antwort, als Nathan Scott mit einem spektakulären Statement-Dunk den Ball wie ein Ausrufezeichen durch die Reuse knallt.
Doch das offensive Spiel der Baskets bleibt zäh, mit schwachen Quoten. Schon jetzt ist abzusehen, dass der Fokus beider Coaches klar auf der Defensive liegt. Münster weiß, dass das am schnellsten spielende Team der Liga besonders dann gefährlich wird, wenn man dieses schnelle Spiel zulässt. Die Giants wissen ihrerseits um die Gefährlichkeit von Nathan Scott und vor allem Adam Touray, der die defensiven Anstrengungen der Rheinländer überdeutlich zu spüren bekommt.
Beim Stand von 17:10 für Düsseldorf holt Jonas Weitzel zu seinem ersten Dreier aus, und ich schaue weg. Bis dahin steht für ihn eine Quote von 17,2% (5/29) in den Büchern, die Wettquote auf die Reusendurchquerung liegt also bei 5,8. Das wissen wohl auch die Giants und verteidigen ihn an der Dreierlinie nur halbherzig. Das Resultat? Weitzel trifft!
Nach diesem ersten, defensiv geprägten Viertel liegen die Baskets mit 13:19 hinten, kein Beinbruch.
Wer nach der Viertelpause in Q2 einen spielerisch besseren oder gar schöneren Auftritt beider Teams erwartet hat, der wird enttäuscht. Es bleibt ein von der Defensive dominierter basketballerischer Grabenkampf beider Teams, was sich bis zum Spielende auch nicht mehr ändern sollte.
Offensiv wirkt Münster immer noch nervös. Bezeichnend ist für mich die Szene, als Jonas Weitzel im Fastbreak den Ball bekommt und diesen eigentlich „nur noch“ per Layup oder Dunk im Korb unterbringen muss. Stattdessen ein Pass und Neuaufbau.
Trotzdem macht Weitzel ein sehr gutes Spiel, täuscht gerne auch einen Dreier an. Wirft er oder wirft er nicht? Die Defense kann ihn nicht einschätzen. Mit seinem dritten Versuch trifft er wieder, damit sind die Baskets in der 15. Spielminute bis auf einen Punkt an Düsseldorf dran (25:24). Ab jetzt werde ich wieder hinschauen, wenn Weitzel den Dreier nimmt.
Münster gleicht wenig später per Freiwurf von Stefan Weß zum 25:25 aus, als der neue Headcoach der Giants von BBL-Schiedsrichter Dominik Bejaoui emotionslos ein Motz-T gepfiffen bekommt.
Es sind noch zweieinhalb Minuten in Q2 zu spielen, als es zu einer Szene kommt, die ich so bei den Baskets noch nicht gesehen habe. Der Düsseldorfer Smith wirft einen Freiwurf, und der Rebound geht zurück zum Schützen, der per einfachem Layup zwei Punkte folgen lässt. Beim Rebounding hat Nathan Scott gepennt, der vermutlich genau dies von Cosmo Grühn auch sehr deutlich gesagt bekommt. 40 Sekunden später geraten die beiden wieder aneinander. Mir zeigt das, dass Feuer drin ist, dass man Dinge nicht einfach geschehen lässt, dass reagiert wird. Und das ist gut so!
Beim Stand von 39:32 für die Giants stürmt Hilmar Pétursson übers ganze Feld und versucht einen weiteren seiner unzähligen „Drives in Bedrängnis“ abzuschließen. Leider nicht erfolgreich, und leider auch ohne Foul. Ich weiß nicht, wie andere das sehen, aber mir sind das in dieser Saison zu viele Drives von ihm, die weder zu Punkten noch zu Freiwürfen führen.
Pausenstand 39:34 für Düsseldorf.
Mit Beginn von Q3 geht bei den Giants offensiv wenig, und bei den Baskets gar nichts. Düsseldorf baut den Vorsprung erstmals auf 10 Punkte aus (44:34; 22. Min). Wenig später spürt man wieder diese offensive Unsicherheit bei den Münsteranern, als Dreierschütze Cosmo Grühn einen solchen aus freier Wurfposition verweigert, was man bei ihm äußerst selten sieht.
Vier Minuten dauert es, bis Pétursson mit einem nahtlosen Dreier aus zentraler Position die ersten Punkte in Q3 für die Baskets trifft. Zwei erfolgreiche Freiwürfe von Scott und einer von Pétursson, danach der nächste Dreier von Pétursson, und schon trennen beide Teams nur noch zwei Pünktchen (46:44, 27.) James Graham ist es dann vorbehalten, mit einem seiner typischen Moves per Layup den Ausgleich zu erzielen.
Wenn Graham in der Nähe der Zone den Ball bekommt, gibt er ihn eher selten wieder her. Das habe ich an anderer Stelle als Ego-Zocken kritisiert. Meine Meinung dazu hat sich geändert, da er seine Aktionen aufgrund seiner Athletik und Körperstabilität inzwischen mit einer recht hohen Wahrscheinlichkeit mit zwei Punkten abschließt. Und wer trifft, der hat bekanntlich recht. Auch in der Defense spielt er richtig stark.
Es folgen erneut zwei ergebnislose Kopf-durch-die-Wand-Drives von Pétursson, bevor er es von der Dreierlinie wieder deutlich besser macht und seinen dritten Wurf vom Perimeter zum 49:49 trifft.
Das Ergebnis ist ausgeglichen, das Spiel spannend. 43 Sekunden nach Beginn von Q4 der nächste erfolgreiche Signature-Dance von James Graham in der Zone, und die Baskets liegen zum ersten Mal nach der Ein-Punkt-Führung zu Spielbeginn wieder vorne (49:51; 31.). Wer jetzt glaubt, Düsseldorf wackelt, der sieht sich getäuscht. Es dauert keine 60 Sekunden, da haben Fleute und Giese mit ihren Dreiern wieder auf plus vier für die Giants gestellt (55:51; 32.). Auszeit Münster.
Und die wirkt!
Durch zwei Treffer von Graham, je einem von Scott und Weitzel folgt ein 8:0-Lauf zum 55:59 für die Baskets. Dann zeigt James Graham, der für mich der Spieler dieses Spiels auf Seiten der Baskets ist, dass er auch richtig gute Anspiele kann, wenn er nur will. Ein Durchstecker zu Weitzel und der zum 58:61. Es geht hin und her, beide Teams treffen nicht, dann Fastbreak Toomer, der zu Scott, und es steht 58:63! Im direkten Gegenzug verliert Smith den Ball, Möller begeht ein Foul an Günther, der geht an die Linie für zwei. Die Vorentscheidung? Von wegen.
Günther trifft nur einen Freiwurf zum 58:64, und Graham verwirft ausnahmsweise von seinem Sweet-Spot. Wenig später schickt Smith Günther auf die Bretter und trifft drei Punkte freistehend zum 61:64. Jasper will es im Gegenzug wissen, wirft, aber der Dreier geht daneben. Smith verkürzt mit zwei Freiwürfen auch noch auf 63:64, und alles ist wieder möglich.
Es sind noch exakt 1:13 Minuten zu spielen, als Alex Möller sein fünftes Foul begeht. Neue 14 Sekunden für Münster, Toomer führt den Ball, Pass zu Graham, noch fünf Sekunden, Graham hat die Uhr nicht im Blick, Shot Clock-Violation!! Ich will nicht mehr hinschauen.
Smith trifft beim nächsten Angriff einen Step-Back-Zweier gegen Adam Touray, und Düsseldorf führt mit einem Punkt, 44 Sekunden vor dem Ende 65:64. Nicht zu fassen!
Für mich überraschend ruft Rohdewald in dieser Situation nicht zur Auszeit, sondern vertraut seinen Jungs auf dem Parkett.
Jasper Günther zu Graham, der mit zwei schnellen Bewegungen und zwei Punkten aus der Mitteldistanz zur erneuten hauchdünnen Führung für die Münsteraner. Die über 100 mitgereisten Fans der Baskets frohlocken lautstark. Noch 28 Sekunden, 65:66, Timeout Düsseldorf. Puh!
Clark soll es jetzt für Düsseldorf richten, er zieht zum Korb, und die spielentscheidende letzte Szene ist dann jene, bei der Nathan Scott Clarks Layup-Versuch spektakulär wegblockt.
Noch acht Sekunden, Auszeit Münster.
Einwurf für die Baskets, Düsseldorf foult schnell. Cosmo Grühn für zwei an die Freiwurflinie. Den ersten trifft er, der zweite geht daneben. Absichtlich? Falls ja, dann war das gut getarnt.
Noch vier Sekunden, Rebound bei den Giants, Clark rennt nach vorne, der Wurf kommt zu spät, das Spiel ist aus, das Spiel ist aus! Münster gewinnt in Düsseldorf mit 67:65!
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Was für ein nervenaufreibender Abend. Es war ganz sicher kein schönes Spiel, aber lieber ein dreckiges Spiel gewonnen, als ein schönes verloren. Die Münsteraner Fans stimmen noch ein Loblied auf Florian Flabb an , bevor es auf die Heimreise geht.
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Was bleibt festzuhalten?
Münster hat gekämpft, volle 40 Minuten, ohne Unterlass. Alle! Das war der entscheidende Unterschied zum Spiel gegen Karlsruhe. Adam Touray hatte offensiv einen rabenschwarzen Tag erwischt, kein einziger Punkt für ihn aus dem Feld. Wann hat es das zuletzt gegeben… Dafür war er defensiv unersetzlich, und offensiv ist Jonas Weitzel für ihn in die Presche gesprungen. Hilmar Pétursson mit drei aus vier Dreiern aus der Distanz absolut überzeugend. Wenn da nur manch Harakiri-Drive nicht wäre…
James Graham mit 86% Trefferquote aus dem Zweierbereich und seinem bisher besten Spiel für die Baskets. Dazu ein Nathan Scott mit 83% Trefferquote bei Zweipunktwürfen und 13 Punkten eine Bank, trotz Beef mit Cosmo. Grühn, Weß und Günther zusammen(!) nur neun Punkte. Das ist zu wenig.
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Und sonst?
• Münster hat das Spiel mit nur neun Turnovern überstanden. Ein Topwert!
• Assists gab es nur neun. Selten gab es weniger. Das Spiel war von vielen Einzelaktionen geprägt.
• Das Offense-Rating war mit 97,6 grottig, das Defense-Rating mit 94,6 das viertbeste der Saison.
• Für Münster war es in der ProA das erste Spiel, welches man mit nur 67 erzielten Punkten gewinnen konnte.
• Eine Pace von nur 68,7 ist für Münster die niedrigste der Saison.
Am nächsten Samstag geht es zur besten Spielzeit zu Hause gegen Paderborn. Mit einem Sieg hätte man das offizielle Saisonziel “Klassenerhalt” mit einer Wahrscheinlichkeit von über 93% bereits erreicht.
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Anbei noch der Spielverlauf und die Viertel-Stats:
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