so, dann könnte es doch interessant sein, zu klären, worüber wir hier diskutieren:
Da es hier um Basketball geht, passe ich die Definition für “Fan” themenspezifisch zusammen: Ein Fan ist ein Mensch, der längerfristig eine leidenschaftliche Beziehung zu einem […] sportlichen Fanobjekt hat und in die emotionale Beziehung zu diesem Objekt Ressourcen wie Zeit und/oder Geld investiert.
ich denke, fast jeder von uns denkt jetzt “Check, trifft auf mich zu”.
Kultur, so hat mich Wikipedia aufgeklärt, ist so ziemlich alles, was wir nicht unverändert in der Natur vorfinden.
Kultur ist im weitesten Sinne alles, was der Mensch selbst gestaltend hervorbringt, im Unterschied zu der von ihm nicht geschaffenen und nicht veränderten Natur. Kulturleistungen sind […] auch geistige Gebilde wie etwa Recht, Moral, Religion, Wirtschaft und Wissenschaft.
mein erster Rückschluss: Fankultur, falls es so etwas gibt, hat vielleicht auch etwas mit Moral und Recht zu tun. Aber nicht nur: Es gibt genug Fangruppen, die den Schiedsrichter mit “Schieber, Schieber”-Rufen bedenken. Hier könnte man sinnieren, ob nicht eine Beleidigung oder nicht erlaubte Tatsachenbehauptung vorliegt. Aber weiter:
Nicht alles Tun des Menschen ist aber schon kulturelle Praxis. Damit diese entsteht, bedarf es einer Gruppe von Menschen, die gemeinsam und regelmäßig für sie bedeutsame Handlungen ausführt. Hier sind wir doch schon sehr nah an fast allen Fangruppen dran, die man so kennt. Die regelmäßige, bedeutsame Handlung ist das Anfeuern der eigenen Mannschaft, das dürfte der gemeinsame Nenner sein. Also klatschen, buhen, trommeln, pfeifen.
Für manchen bedeutet die bedeutsame Handlung auch, ein Bier während des Spiels zu trinken. Für manch anderen vielleicht, sich vor dem Spiel schon 4 Bier rein zu zimmern und den Pegel während des Sportereignisses noch auszubauen. Anderswo wird es als bedeutsame Handlung empfunden, Klopapierrollen auf das Feld zu werfen. Anderswo mag es noch als zulässig empfunden werden, lauthals über den Beruf der Mutter eines Spielers zu sinnieren.
Diese Dinge scheint jede Fangruppe individuell für sich festzulegen, oder Teile einzelner Fangruppen, und wir befinden uns auch hier noch im Bereich derjenigen Handlungen, die Kultur sind oder sein können. Auf einen Sitz pinkeln, so weit lehne ich mich schon aus dem Fenster, gehört nicht zur Fankultur, zumindest im Basketball. Es dürfte eher ein ungewolltes Nebenprodukt des eventuell als Kultur definierbaren hohen Alkoholkonsums sein.
Und, so habe ich weiter gelesen, im Laufe der Zeit vollzieht sich innerhalb der verschiedenen Gruppen die Differenzierung gewisser Praxen, zugleich entwickeln sie unabhängig von anderen […] ihre eigenen Werte.
Interessant. In Gießen, Göttingen, Karlsruhe und weiteren Pro-A-Standorten haben die Fans eigene Handlungsweisen und Wertvorstellungen entwickelt. Das kann man durchaus beobachten. Rufst du einem Fan in Heidelberg “Hands up!” zu, gibt er dir erschrocken seine Brieftasche. Der geneigte Karlsruher weiß, dass es nun lediglich Freiwürfe und keinen Grund zur Panik gibt.
Interessant und ein Anknüpfungspunkt für die Diskussion hier, dass überall unabhängig eigene Werte entwickelt werden. Wie weit kann und darf das gehen? Wo liegen die Grenzen für eine von uns gewollten und tolerierbaren Fankultur?
Tasten wir uns weiter vor:
So ist Kultur nicht nur ein Gewebe von Bedeutungen, sondern diese bedürfen einer Ausübung, um sich zu erhalten und fortzusetzen.
Glasklar. Dazu tragen die meisten von uns jedes Wochenende bei.
Dabei können jedoch auch gerade durch die Ausübung neue Sinnzusammenhänge entstehen oder alte sich abschleifen, als unpassend oder unbedeutend empfunden werden.
Wir dürfen also werten, was als unpassend empfunden wird, was unsere Kultur ausmacht. Einmal innerhalb der Fangruppe, siehe Gießen, wo nun Alkoholkonsum während der Auswärtsfahrten untersagt ist. Aber auch per se ist es dem z.B. Karlsruher Fan durchaus gestattet, seine Wertvorstellungen auf z.B. die Gießener Fans zu übertragen und gewisse Dinge als unpassend und nicht zu einer Fankultur gehörend einzustufen. Allerdings, so denke ich, kann eine Wertung oder Beurteilung eines Einzelnen nicht definieren, was Kultur ist. Das entsteht aus der Gruppe heraus. Fangruppe A kann Handlungen vornehmen, die für sie zur Fankultur gehören. Fangruppe B kann dies ablehnen und behaupten, dies gehöre generell nicht in diese Kultur.
Moral, Gesetze und Wertvorstellungen können das, was eine bestimmte Kultur hervorbringt, als nicht zu dieser Kultur gehörend oder zu ihr passend einordnen. Dies kann in unserem Beispiel Fan von Fangruppe zu Fangruppe abweichend empfunden werden. Gewisse Handlungsweisen sind aber bestimmt auch basketballfanspezifisch.
deswegen gibt es hier noch viel Platz und Raum für Diskussionen, viel Spaß.