Anmerkungen zur sowie Erkenntnisse und Schlussfolgerungen aus der EM:
Wie es mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit zu erwarten war, war es absolut sinnvoll, dass die FIBA den unsinnigen Forderungen von Itoudis nicht gefolgt und den Kader auf 14 Spieler erweitert hat.
Es hat sich wie in den vorherigen Turnieren auch gezeigt, dass die sportliche Relevanz der Kaderspieler 11 und 12 gegen Null geht. Mehr als Garbage Time Minuten erhalten diese Spieler nur in bedeutungslosen Spielen (z.B. GER gg. HUN).
Sollte sich ein Rotationsspieler 1 – 10 verletzen, so bestätigte auch diese EM, dass die Minuten nicht an die Spieler 11 und 12 vergeben werden, sondern unter den verbliebenen Rotationsspielern 1 – 10 aufgeteilt werden. Beispiel: Achtelfinale GER gg. Montenegro. Hollatz bekam nach der Verletzung von Weiler-Babb gerade ca. 1 Minute, der Rest der Weiler-Babb Spielzeit entfiel auf Schröder, Obst, Lo, Wagner.
Es folgt, dass für die Besetzung der Kaderplätze 11 und 12 sportliche Überlegungen weit weniger entscheidend sind als die Kriterien: (i) Spieler akzeptiert seine Rolle und (ii) Spieler hat positiven Einfluss auf Teamgeist/Mannschaftszusammenhalt.
Das Niveau der Schiedsrichter ist sicherlich verbesserungswürdig. Die Auffassung der FIBA, dass die Schiedsrichterleistungen insgesamt gut waren, steht durchaus in einem Widerspruch zu den Fakten.
Allerdings gab/gibt es von Seiten der Fans und der Presse jedoch auch deutliche Übertreibungen und Fehlwahrnehmungen hinsichtlich der Bewertung der Schiedsrichterleistungen.
Jeder, der wie Magentasportkommentator Körner, die Gleichung aufmacht: ECA-Schiedsrichter = guter Schiedsrichter, FIBA-Schiedsrichter = schlechter Schiedsrichter, der sollte sich einmal die Referee Leistungen in den Euroleague Spiele anschauen und die Kommentare von Spielern und Trainer der EL Teams zu den Schiedsrichterleistungen nach den Spielen hören/lesen. Nach jedem Spieltag stellen mehrere Trainer oder Sportdirektoren/Geschäftsführer den ECA-Schiedsrichtern regelmäßig schlechte Zeugnisse aus.
Es gab zwei schlimme Fehler, die den Schiedsrichtern – in der Verbindung mit dem technischen Kommissar - unterlaufen sind: (i) der nicht gegebene Freiwurf für Litauen im Spiel gegen Deutschland – wobei ich mich als Anwesender vor Ort direkt gefragt habe, warum weder Spieler noch Trainer der Litauer die Schiedsrichter (nachdrücklich) darauf hingewiesen haben? Da kamen keine beachtenswerten Reaktionen. Bei einigen früheren Fouls gegen Litauen wurden die Referees stärker bedrängt als in diesem Fall. (ii) die fehlenden 22? Sekunden im Spiel Türkei gegen Georgien.
Das sind Dinge, bei denen es natürlich sehr peinlich ist, wenn sie bei einem herausragenden Turnier wie der Eurobasket passieren. Ich erinnere mich noch an ein EL Spiel von CSKA Moskau gegen Kaunas, in dem während eines Angriffs von Kaunas unberechtigterweise die Wurfuhr von 22 auf 14 Sekunden herabgestellt wurde. Da es ein normales EL Spiel aus der regulären Saison war und Moskau deutlich gewann, interessierte das niemanden wirklich. Dennoch ist ein solcher Fehler inhaltlich gleichwertig zu den Fehlern bei der Eurobasket und zeigt auf, dass auch ECA-Schiedsrichter und Kommissare nicht gegen menschliche Fehler und Augenblicksversagen immun sind.
Diese klaren Fehler machten es leider – gefüttert von vorurteilsbehafteten Kommentatoren und Journalisten – für die Schiedsrichter im Laufe des Turniers nicht einfacher.
Jedoch bleibt als Fakt festzuhalten, dass es zwei grobe – bei Spitzensport Anlässen wie einer EM auch prinzipiell nicht entschuldbare Fehler gab.
Darüber hinaus – also in 74 von 76 Spielen – gab es aber lediglich die üblichen Diskussionen, die es in jedem Basketballspiel gibt. Offensiv- oder Defensivfoul? Flopping oder nicht? Unsportliches oder normales Foul? Wer hat bei Ausbällen den Ball zuletzt berührt? etc.
Fakten, dass die Schiedsrichter hier häufiger falsch entschieden haben, als in EL Spielen gibt, hat jedoch keiner der Kritiker vorlegt.
Aufbauend hierauf sind zwei Dinge notwendig, (i) eine Aufarbeitung der Vorfälle durch die FIBA und (ii) eine Rückkehr zu sachlicher, nicht übertriebener Argumentation bei den FIBA Schiedsrichterkritikern.
Die Stimmung in Köln war hervorragend. Die Stimmung in Berlin war gut, aber merklich schlechter als in Köln. Sollte sich der DBB einmal für eine WM-Ausrichtung entscheiden, sollte dieser Aspekt Beachtung finden.
Die Ticketpreise für die Endrunde waren in der Tat sehr hoch. Es ist sicherlich richtig zu argumentieren, dass sie zu hoch angesetzt waren.
Für künftige Turniere sollte die FIBA die Preisstruktur noch einmal auf den Prüfstand stellen.
Von einem weiteren Vorwurf muss die FIBA jedoch (weitgehend) freigesprochen werden. In der Tat weist die FIBA – das war auch bereits in früheren Turnieren der Fall – bei den Endrundenspielen darauf hin, dass sich die Reihenfolge kurzfristig ändern kann. M.a.W., die FIBA gibt ein Kartenkäufer also die Informationen an die Hand. Letztlich liegt es also in der Verantwortung des Kartenkäufers, diese Informationen wahrzunehmen.
Dass der Freispruch nur weitgehend ist, liegt daran, dass der Verkauf auch anders organisiert werden kann. Durch den Verkauf von festen Spielen (z.B. Achtelfinalspiel: 1 Gr. A gegen 4. Gruppe B) anstelle von „Time Slots“ (z.B. Achtelfinalspiel um 17.30 Uhr). Unklar bliebe in diesem Falle somit nur die Zeit des Spielbeginns, aber die Spielpaarung ist gesichert. Auch in diesem Punkt sollte und muss die FIBA noch einmal nachdenken, das geht besser!
Diese Eurobasket zeigte sportlich folgende Dinge:
(i) Die besten Spieler aus der NBA (Doncic, Jokic, Antetokounmpo) weisen ein Niveau auf, dass in europäischen Wettbewerben/Ligen nicht annähernd vorhanden ist.
(ii) Auf NBA-Level nur leicht überdurchschnittliche Spieler (Bogdanovic, Schröder, Fournier, Markannen, Hernangomez etc.) überragen gegen europäische Top-Spieler ebenfalls.
(iii) Trotz der immer noch vorhandenen Diskrepanz zwischen NBA und europäischen Ligen/Wettbewerben hat sich der europäische Basketball in den letzten 15 – 20 Jahren deutlich verbessert.
Anfang der Nuller-Jahre dieses Jahrhunderts reichte ein Spieler auf All-NBA Team Niveau (Dirk Nowitzki) zusammen mit auf europäischem Niveau gesehenen 2-3 guten und 5-6 durchschnittlichen Mannschaftskameraden aus, um bei EM (2001 und 2005) sowie WM (2002) das Halbfinale zu erreichen. In diesem Jahr sind gleich drei Mannschaften mit All-NBA 1st Team Mitgliedern (Serbien, Griechenland, Slowenien) z.T. deutlich und verdient am Halbfinale gescheitert. Im Falle von Griechenland (Calathes, Sloukas, Papanikolaou) und Serbien (Micic, Lucic, Milutinov) war die Qualität der Mannschaftskameraden in der Spitze und der Breite sogar deutlich größer als bei Dirk Nowitzki damals.
(iv) Aus (iii) folgt, dass NBA-Superstars auch sinnvoll von den Trainern in ein Mannschaftsgefüge integriert werden müssen. „Gibt dem Superstar einmal die Kugel und lass ihn machen“, dass funktioniert nicht mehr. Wenn Doncic, Antetokounmpo oder Jokic an oder über die 40 Punkte Marke gehen müssen, damit ihre Mannschaft das Spiel gegen andere Top 10 Mannschaften gewinnt, dann hat der Trainer keinen guten Job bei der Festlegung der Rollen- und Aufgabenverteilung gemacht.
Insbesondere ist es enttäuschend, dass der europäische Top Trainer Itoudis mit Griechenland kein besseres Ergebnis erzielt hat.
Leider setzte sich der in den letzten Jahren eingesetzte Trend fort, dass die Diskussionen der Spieler und Trainer mit den Schiedsrichtern überhandnehmen.
Das ist kein Trend, der auf Nationalmannschaftsturniere begrenzt ist, sondern einer, der sich auch auf nationalem sowie europäischen Vereinslevel zeigt.
Hier ist es wünschenswert, wenn die zuständigen Organisationen diesen exzessiven Diskussionen durch frühere und häufigere technische Fouls gegen Spieler und Trainer in Zukunft entschlossen entgegentreten.
Die Bronzemedaille ist ein Erfolg für den DBB und es ist richtig und wichtig, diesen Erfolg auch zu benennen.
Die Generation der 91 – 93er Jahrgänge hat ihr Potential, dass sie mit dem 5. Plätzen bei den U20 EMs 2011 und 2012 angedeutet hat, im Erwachsenenbereich umgesetzt. Nicht erst durch die Bronzemedaille, sondern auch durch die Olympiaqualifikation im letzten Jahr.
Diese Generation kann sicherlich noch bis Paris 2024 in dieser Form zusammenspielen. Wenn dann noch das notwendige Glück hinzukommt, sind (a) das WM-Viertelfinale und (b) die erneute Olympiaqualifikation erreichbar.
Auch die Jahrgängen 1998 – 2001 deuteten mit Siegen beim AST sowie 3. Plätzen bei den U20 EMs an, dass sie das Potential haben im Seniorenbereich in der europäischen Spitze mitzuspielen. Zusammen mit Johannes Thiemann, Andreas Obst, Nick Weiler-Babb, Franz Wagner, Justus Hollatz und Moritz Wagner aus dem 2022er Kader werden diese Jahrgänge der Grundstein für den EM-Kader 2025 sein können.
Wo Sonne ist, gibt es auch Schatten.
Es ist zu hoffen, dass der Erfolg bei dieser EM und auch die Olympiateilnahme nicht darüber hinwegtäuschen, dass es personelle (I. Weiss, Qualität, sportliche Vita und Qualifikation der Trainer der Nachwuchsnationalmannschaften) und auch strukturelle (Position Sportdirektor) Defizite beim DBB gibt.
Wer die Ergebnisse bei den U-EMs anschaut, wird feststellen, dass der Abstand zu den europäischen Top-Nationen wie Spanien und Frankreich weiterhin existiert. Nachdem der Abstand zwischen 2005 und 2018 etwas geschlossen werden konnte, scheint er nun wieder größer zu werden. Gleichzeitig nimmt die Qualität anderer Länder (z.B. Polen, Finnland – auf gegenwärtig noch etwas geringerem Niveau auch Ungarn) beständig zu.
Die Gefahr, dass sich DBB-Verantwortliche auf diesen Erfolgen ausruhen und in den Erfolgen sonnen, anstelle neue Impulse zu setzen, bewusst Spannungen zwischen Ziel und Ist-Zustand zu erzeugen, ist bei der aktuellen DBB-Spitze leider mehr akut als latent.
Es ist richtig, dass Gordon Herbert erstmal nur bis 2024 denkt, der DBB als Verband, darf das nicht. Jetzt, mit dem Rückenwind des Erfolgs, müssen Veränderungen auch im DBB erfolgen.
Auch wenn es nach 1993 Erfolge/Steigerungen gab, was die Mitgliederzahlen im DBB anging, so ist der Knoten weder nach 1993 noch während/nach der Nowitzki Ära wirklich geplatzt. Sind aller guten Dinge 3? Eher unwahrscheinlich, wenn es nicht zu Veränderungen kommt.
Jetzt, da auch Spitzenpolitiker (zumindest kurzfristig und wohl nur vorrübergehend) vom Basketball Notiz nehmen, liegt es auch an der BBL, der 2. Bundesliga und den Vereinen dieser Organisationen den doch in Maßen entstandenen Gewinn an öffentlicher Wahrnehmung zu nutzen.
In der Tat sind die Vereine der BBL und 2. BL stärker in der Verantwortung, die gestiegene Aufmerksamkeit konkret in mehr Zuschauer, mehr Sponsoren und v.a. mehr Jugendspieler*innen umzusetzen, als es der DBB ist, da ihre Einflussmöglichkeiten direkter und schneller sind im Vergleich zum DBB.
Ob der BBL/2. BL dies gelingt, bleibt zu hoffen, ist aber angesichts der handelnden Personen in der Liga (Holz) eher mit Fragezeichen denn mit Ausrufzeichen zu versehen.
Wie viele BBL / 2.BL-Vereine wären denn vorbereitet, wenn nun auf einmal je Verein 15-20 neue Spieler*innen kämen (Stichworte Trainerverfügbarkeit, Hallenmöglichkeit)? Könnten den Spielerinnen überhaupt eine weibliche U-Mannschaft angeboten werden?
Haben die Vereine der BBL/2.BL Pläne entwickelt, eine mögliche gestiegene öffentliche Wahrnehmung dafür zu nutzen, ihre Aktivitäten im Bereich Schul- und KiTa-AGs auszuweiten?
Fakt ist jedenfalls, dass die Unterstützung für die Nationalmannschaft vor und während der EM durch z.B. die Social Media Accounts der BBL/2. BL und deren Vereine dürftig war.
Sie war dürftig, obwohl es jeder bemerkt haben sollte, siehe erster Satz in Punkt 8, dass in Deutschland in der Tat die Nationalmannschaft der wichtigste Akteur ist, wenn es um öffentliche Aufmerksamkeit geht.
Wer es nicht glaubt, vergleiche einmal den Rummel bei der Handballnationalmannschaft, wenn diese bei Turnieren um Medaillen spielt mit dem Rummel, wenn Kiel oder Flensburg die EHF-Champions League gewinnen. Dann sollte jedem bewusstwerden, dass eine Nationalmannschaft eine größere Strahlkraft als Vereine hat.
Nach der guten Vorrunde kamen sie wieder: Die ewigen Rufe, dass die EM ins Free-TV, besser noch in das ÖR Free-TV gehört.
Nun ja, wenn Weiss die EM im Free TV sehen möchte, dann muss er seinen Einfluss bei der FIBA – den er als Schatzmeister haben sollte - geltend machen, um dafür zu sorgen, dass die FIBA die Rechte nicht an einen Pay-TV Anbieter verkauft. Auch dann nicht, wenn der Pay-TV Anbieter (i) mehr Geld bietet, (ii) ein hervorragendes Konzept entwickelt und (iii) zusagt, die Spiele des DBB-Teams kostenfrei zu zeigen.
Es ist eine Unverschämtheit, von einem Partner (hier Magentasport) Geld zu erhalten und nach anderen Sendern zu rufen, die die Spiele übertragen. Wohlwissend, dass jedes Zeigen eines Spiels der DBB-Auswahl im Free TV Zuschauer von Magentasport abziehen wird.
Die FIBA sucht sich ihre Übertragungspartner selber, wenn der DBB hier eindeutige Präferenzen hat, muss er bei der FIBA um deren Umsetzung/Berücksichtigung vorstellig werden, um dies im Vorfeld abzuklären. Das ständige Rufen nach anderen/zusätzlichen Übertragungspartner wirft keine gutes Licht auf DBB/FIBA.
Nach der Übertragung der WM 2019 war es auch 2022 wieder wohltuend, dass Magentasport ein anspruchsvolles und qualitativ hochwertiges Programm erstellt hat. Ein großes Lob hierfür.
Es gibt jedoch etwas, dass völlig nervig war. Der ständige Vergleich zur WM 2019, bzgl. der Rolle und des Verhaltens von Dennis Schröder und betreffend der Teamchemie.
Wer 2021 richtig hingeschaut hat, hat gesehen, welche Leidenschaft Dennis Schröder letztes Jahr aufgebracht hat, als er das Team in Split tatkräftig als Fan unterstützte. Die positive Entwicklung von Dennis Schröder setzte nicht 2022 ein, sondern früher.
Wer 2021 richtig hingeschaut hat, der hat auch gesehen, dass der Kern der EM-Mannschaft/WC Qualifier-Mannschaft (Lo, Giffey, Voigtmann, M. Wagner, Thiemann, Obst) bereits eine gute Teamchemie bei Olympia entwickelt hat, die nun die Basis für den Teamspirit von 2022 war.
Anders als es bei Magentasport mehrheitlich suggeriert wurde, kam die „Wandlung“ von Dennis Schröder nicht erst mit diesem Turnier, sondern bereits früher.