Vorab: ich finde, dass die BIG in den letzten Ausgaben einen guten Sprung nach vorne gemacht hat. Auch die neue Aufmachung fällt direkt auf (meiner Frau, die die letzte Ausgabe aus dem Briefkasten gefischt hatte, hats auch direkt kommentiert). Dafür ein Daumen hoch.
Aber bitte, BITTE lasst nie wieder Kai Zimmermann einen journalistischen Beitrag schreiben - auch nicht auf Social Media:
https://www.facebook.com/BIGMagazin/posts/4325475240808526
Da wird mir ganz schwindlig. Ich finde Lucic unsympathisch als Spieler, aber das ist oft ja ein Zeichen, dass er wirklich alles gibt für einen Sieg. Ich halte ihn auch für einen überragenden Basketballer. Die Aktion am Ende des Spiels gestern kann man aber nicht mehr so verteidigen, das war grob unsportlich - sowohl das Foul als auch dann den Schiedsrichter so anzumosern. Das hat für mich nichts mit dem Sport zu tun.
Umso erstaunlicher, dass Zimmermann meint:
Es geht hier gar nicht darum, eine Lanze für Lucic zu brechen.
nur um dann sehr verbos eine Lanze für Lucic zu brechen - auch wenn die spezifische Aktion nicht im Vordergrund steht, obwohl sie sicherlich der Auslöser für die Reaktion war. Da werden dann sehr komische sprachliche Blüten bemüht, wie
Lucic ist in der BBL eine ganz seltene Spezies. Einer, der gewinnen will, um jeden Preis.
Wohingegen die meisten anderen Spieler nicht gewinnen wollen?
Wir fordern maximalen Einsatz - aber bitte nicht zu viel. Wir fordern absolute Leidenschaft - aber wenn wirklich einer leidenschaftlich ist, nennen wir ihn unsportlich. Das ist Heuchelei.
Die so argumentieren, erschaffen ein Kunstprodukt. Und nichts Organisches, das wachsen kann. Denn es gibt keine kontrollierte Leidenschaft. Leidenschaft ist Liebe, und Liebe lässt sich nicht kontrollieren. Das ist ja gerade ihr Wesen.
Lucic polarisiert, aber unsportliche Aktionen sind unsportlich. Oder hätte Lottermoser gestern lieber ein “Leidenschaftliches Foul” statt eines “Unsportlichen Fouls” pfeifen sollen? Was denn für ein Kunstprodukt bitte? Wäre das Finale entwertet worden, wenn Lucic gestern nicht so gefoult hätte? “Leidenschaft ist Liebe und Liebe lässt sich nicht kontrollieren”, aus welchem Schlagertext (alternativ Post von Wagner) ist das denn bitte abgeschrieben?
Jetzt aber der Absatz, der mir wirklich sauer aufstößt und wegen dem Zimmermann nie wieder etwas schreiben sollte:
Es ist ein Phänomen unserer Zeit, dass uns alles, was sich mit Haut und Haaren in etwas wirft, abschreckt. Wir wollen immer weniger arbeiten, aber wir verlangen neue Krebstherapien. Lassen sich Kompetenz und Wissenschaft in 28,8 Stunden so verdichten, dass ein Genie dabei entsteht? “Excellence comes from effort”, und jemand, der sich nicht ununterbrochen mit Haut und Haaren seiner Sache verschreibt, wird ein gewisses Qualitätsniveau sehr wahrscheinlich nicht erreichen. Die allermeisten, die ich für exzellent halte, haben sich mit ihrem Thema bis zum Exzess beschäftigt. Intensivität bedeutet Leidenschaft.
Das ist nicht nur nicht richtig, das ist nichtmal falsch. Als Wissenschaftler, der sich von Zeitvertrag zu Zeitvertrag hangelt und für den 24 h am Tag 7 Tage die Woche gerade so ausreichen vielleicht, um Forschung zu betreiben, ist das ein Schlag ins Gesicht. Die Frage, was Lucics disqualifizierendes Foul mit Krebstherapie zu tun hat, mal ganz außen vor. Laut Zimmermann muss man sich nur anstrengen; wer versagt, hat sich eben nicht genug reingehangen. Sorry, selbst schuld! Wer nicht in allem 200 % gibt, ist ein Versager, Punkt, aus Ende!
Was ein absoluter Käse ist das bitteschön? Zyniker würden jetzt sagen, Zimmermann hat sich dem Schreiben nicht mit Haut und Haaren (höhöhö!) verschrieben (doppel höhöhö!), weil sein Qualitätsniveau unterirdisch ist. Stilistisch will ich das nichtmal außeinander nehmen (dieses Stakkato mit abgehackten Sätzen ist nicht meins), aber was soll dieser Schwachsinn überhaupt bedeuten?
Pure Emotion, absolute Leidenschaft (und Reichweite). Ich habe da niemanden heulen sehen, ganz im Gegenteil.
Und selbst wenn jemand heult, Herr Zimmermann, ist das schlimm? Ist ja nicht “tough”. Richtige Männer heulen nicht, sie MACHEN - oder wie? Dafür liest sich der Kommentar aber sehr weinerlich - der harte Sport wird ganz weichgespült, nur wenn man unsportliche Aktionen kritisiert.
Ganz am Ende schreibt Zimmermann dann doch etwas, dem ich zustimme:
Es ist ein Segen, dass ein echter Weltklassespieler schon so lange in der BBL spielt.
Denn das stimmt. Nur um dann nachzulegen:
Es ist die Frage, wann unsere Liga endlich bereit dafür ist, einen echten Weltklassespieler zu erkennen und zu achten.
Wo wird der Spieler von der Liga nicht geachtet?
Sorry, so ein Blödsinnskommentar (und ja, ich weiß dass ich hier heule) bestärkt mich wieder darin, dass es richtig war, mein Abo auslaufen zu lassen. So einen Kommentar anscheinend ungefiltert (und wenn jemand drübergelesen hat, sollte er vielleicht seinen Job überdenken) auf die Allgemeinheit loszulassen, ist qualitativ unterirdisch. Wohingegen die viel spannendere Personalie - Joshiko Saibou wird fürs Nationalteam berufen - nicht thematisiert wird, weil man dann ja doch noch einmal das Saibou-Interview thematisieren müsste, was man selber vermasselt hat. “Journalismus unlimited”.
tl;dr:
Lieber Vlado,
du bist Penicillin, ein Schimmelpilz. Wir brauchen Schimmelpilze. Gegen die bakterielle Langeweile im Sport. Du zerstörst alle Bakterien: Gegner, Fairness, das “Clean Game”. Du bist schmutzig. Schmutzig ist gut. Schimmel ist gut. Ich will ihn dir vom Körper lecken.