Guten Morgen,
ich habe ja bereits meine Sicht der Dinge skizziert. Deshalb nur kurz ein paar Annahmen, Fakten und Zusammenhänge, die vielleicht dem einen oder anderen zur Einordnung dienen.
Der Umgang mit Corona, das lässt sich an den vergangenen Tagen deutlich ablesen, ist ein polarisierendes Thema, und in vielen Gesellschaftsbereichen stehen sich die Positionen unversöhnlich gegenüber. Das erklärt auch z.T. die erhebliche Resonanz auf das Saibou-IV, nicht nur bei SD.
Es wurde bereits gepostet, pro BIG-Ausgabe gab es rechnerisch bisher 0,28 Thread-Seiten, in diesem Fall sind wir bereits beim etwa 40-fachen.
Was sich feststellen lässt: Es gibt tatsächlich eine nicht unerhebliche Gruppe von Lesern, die sich am IV mit Saibou stören. Diese teilt sich wieder in drei unterschiedliche Gruppen auf, die teilweise überlappen: a) diejenigen, die das IV als zu unkritisch/“handwerklich” zu schwach kritisieren, b) diejenigen, die sich an Umfang und an der Schlagzeile stören („Das hat er nicht verdient" ) und c) diejenigen, die kritisieren, dass überhaupt mit ihm gesprochen wurde („Gib Saibou keine Bühne“).
Es gibt also nicht den einen Grund für die Ablehnung des Interviews.
Auch deshalb sollte man vorsichtig sein, ob das Bild, dass sich hier im Forum formt, repräsentativ für die gesamte Leserschaft ist: Leser, die mit einem Stück unzufrieden/sauer sind, wenden sich grundsätzlich viel eher gegen ein Medium als solche, die damit kein Problem haben. Dieser Zusammenhang fällt hier bisher unter den Tisch.
Ganz klar, ich nehme die Kritik bei SD sehr ernst. So negative Resonanz, egal wo, ist nicht alltäglich. Einige – nicht alle – der vorgebrachten Kritikpunkte räume ich ein: Ich hätte an einigen Stellen nachfassen müssen. Das IV wurde vor mehreren Wochen geführt, zum Zeitpunkt des Gesprächs war noch nicht klar absehbar, dass sich die Corona-Situation derart zuspitzen würde – ich habe zwar eine Gefahr gesehen, aber nicht ausreichend darauf reagiert, z.B. mit einer weiteren Nachfrage zu Querdenken, das sich nach allgemeinem Konsens in den vergangenen Wochen zunehmend radikalisiert. Ich habe ferner zu stark mit Einschüben gearbeitet, die von einigen nicht deutlich genug als kritisch wahrgenommen wurden, obwohl sie so gedacht waren. Generell bleibe ich dabei, dass es nicht Aufgabe des Redakteurs ist, den Interviewten mit tendenziösen Fragen in die Enge zu treiben. Wo die Grenzen liegen, darüber bestehen sicher unterschiedliche Auffassungen.
Generell finde ich die Schärfe der Kritik beachtlich. Ich kann nicht in die Menschen reinschauen. Mit einigen Lesern habe ich gesprochen/gemailt. Es interessiert mich, was Leser denken; ein Gespräch ist im Konfliktfall immer besser als ein solches Forum.
Herrn Micheel etwa habe ich angemailt und ein Telefonat angeboten. Er hat erst bei Twitter veröffentlicht, dass ich ihm ein Gespräch angeboten habe, später per Mail ein Telefonat abgelehnt mit der Begründung, er habe „keinen Bedarf“. Das hat ihn nicht davon abgehalten, hier stundenlang weiter zu posten. Also, der „Bedarf“ war wohl doch da – zumindest in der SD-Öffentlichkeit.
Es schmerzt mich, dass es Leser gibt, die ihr Abo kündigen oder auch nur mit Kündigung drohen. Das muss jeder selbst entscheiden. In diesem Fall ist die Frage, was tatsächlich dahintersteckt:
1. Kündigt man BIG/versagt BIG die Unterstützung, weil einem das Magazin nicht mehr gefällt (ggfs. wegen eines Interviews, das man schwach findet)?
2. Kündigt man/versagt die Unterstützung, weil einem die Weltanschauung nicht passt, die man hinter diesem IV vermutet?
Bei Punkt 1 ist es relativ einfach: Wer BIG schlecht findet, kündigt. Wer glaubt, es gebe irgendwann ein anderes Medium, das besser/unabhängiger/einsatzfreudiger oder-was-auch-immer berichtet/arbeitet, der versagt die Unterstützung. Grundsätzlich liegen hier (und nicht nur hier) – so glaube ich – ein paar Missverständnisse und Brüche vor.
- BIG ist aus der Basketball-Leidenschaft seiner Gesellschafter entstanden – und nicht, weil jemand dahinter ein großes Geschäft gewittert hat. BIG wurde gegründet, um kompetent, regelmäßig und kritisch zu berichten. Weil ein solches Element für den deutschen Basketball fehlte. Das gelingt uns seit Gründung mal mehr, mal weniger – aber DAS ist unsere Agenda. Nichts anderes. Was sollte sie auch sonst sein?
- BIG hat sich fast zehn Jahre am Markt gehalten und entwickelt – obwohl zum Start des Heftes vieles dagegen sprach. Unter rein marktwirtschaftlichen Gesichtspunkten wäre diese Entwicklung nie möglich gewesen. Der Grund, warum sich BIG entwickeln konnte, ist die hingebungsvolle Arbeit seiner Mitarbeiter (fest wie frei), die sich im vergangenen Jahrzehnt mit Haut und Haaren dem Projekt verschrieben haben (Leidenschaft ersetzt finanzielle Mittel – dieser Zusammenhang ist übrigens generell ein Problem des deutschen Basketballs). Die Motivation der Mitarbeiter ist ausschließlich die Hingabe für den deutschen Basketball. Das gilt für die Redaktion und auch ganz besonders für die Kollegen aus dem Office/Verlag. Und: Unsere Geldgeber standen, trotz aller Schwierigkeiten, stets hinter dem Projekt, heute wie früher.
- Das Arbeitspaket von BIG wächst und wächst, inzwischen versuchen wir auch digital Inhalte zu erstellen – obwohl sich diese bisher kaum gegenfinanzieren lassen. Das Missverständnis entsteht darin, wie „guter“ Journalismus entsteht: jedenfalls nicht „irgendwo im Internet“. Generell wird total unterschätzt, wie aufwändig „guter“ Journalismus ist. Es geht um Kontakte, Netzwerk, Recherche (Reisen, Telefonate), schreiberische Qualität. Das kostet alles (Arbeits-)Zeit und Geld – auch hoch motivierte, gut ausgebildete Redakteure & Mitarbeiter müssen bezahlt werden. Und nicht jede Recherche führt zu einem Ergebnis, ganz im Gegenteil. Übrigens: Die Kollegen aus der Tagespresse stehen wirtschaftlich stärker unter Druck als je zuvor, und auch hier wird im wesentlichen in den bunten Sportarten eingespart, zu denen Basketball zählt – nicht beim Fußball.
- Ich möchte mal - ganz wertfrei und nicht zum ersten Mal - in diesem Kontext eine Frage stellen: Welchen Grund könnte es haben, dass größere Verlage bisher darauf verzichten, in der „Goldgrube deutscher Basketball“ ihr Glück zu versuchen? Fakt ist: Jedes Abo, das gekündigt wird, schwächt unsere Basis. Und damit natürlich auch den Grad der Professionalität des Journalismus, der geboten werden kann. Wir haben seit Sommer 2019 einen hauptamtlichen Chefredakteur, das ist ein Meilenstein. Wir planen, Kollegen einzustellen. Dieser Zusammenhang ist für solche Leser wichtig, deren Motiv es tatsächlich ist, „Journalismus für deutschen Basketball“ fördern zu wollen. Bisher sind wir dieser Idee nach meiner Überzeugung stets nachgekommen. Es ist infam, uns etwas anderes zu unterstellen.
Bei Punkt 2 sieht es anders aus. BIG steht – das ist ganz klar – mit aller Überzeugung und ganzem Fundament für demokratische Werte und gegen JEDE Form des Extremismus. Für etwas anderes könnte ich als Geschäftsführer gar nicht stehen. Es wäre schade, sollte es tatsächlich Leser geben, die aus dem IV mit Joshiko Saibou falsche Schlüsse ziehen – und deshalb kündigen.