@Junes:
Ich kann mich mit diesem “eine Plattform geben” nicht anfreunden. Im Jahr 2020, wo selbst Grundschulkinder schon mit Smartphones und Instagram, WhatsApp und TikTok durch die Gegend laufen, weiß ich nicht, ob man einem Menschen eine größere Plattform gibt, wenn man ein Interview mit ihm in einem Fachmagazin einer Nischensportart abdruckt. Er hat ein öffentliches Instagramprofil, wo jeder (die Hälfte der BB-Community ausgenommen, die er schon geblockt hat) an seiner Weltansicht ungefiltert und unreflektiert partizipieren kann.
Es ist bedauerlich, dass die Debattenkultur aktuell sehr extrem wird und man sich teilweise hier beschimpft, obwohl man im Grunde derselben Meinung ist und da muss ich Kai Zimmermann Recht geben. Es ist immer schöner klare Kante zu zeigen, aber wir sollten aufpassen, dass wir mit unserem Verhalten nicht unsere Gesellschaft weiterspalten, denn wenn wir nicht zusammen stehen wird es eng. Die Idioten, die gerade mit Reichsfahnen auf Demos unterwegs sind und die Demokratie in Deutschland zerstören wollen, werden zusammen stehen, bis sie ihr Ziel erreicht haben.
Das sehe ich genauso. Wir haben eine Problem in der Debattenkultur. Zwar ist die Meinungsfreiheit nicht abgeschafft, wie viele Kritiker behaupten. Aber die Menschen hören sich gegenseitig nicht mehr zu und diskutieren nicht. Diskutieren bedeutet nämlich nicht, auf Teufel komm raus Anderen seine Meinung aufzuzwingen sondern es bedeutet, Meinungen auszutausche, mit dem Ziel, Erkenntnisse zu gewinnen.
In unserer Gesellschaft ist es aber leider üblich, Extrempositionen einzunehmen. Wenn jemand ein existierendes Problem benennt, dann darf nicht abgebügelt werden sondern man muss diskutieren, Sichtweisen einbringen, Fakten benennen. Das führt dann dazu, dass Probleme nicht unter den Tisch gekehrt werden sondern als solche wahrgenommen und auf den tatsächlichen Level geführt werden. Das kann so aussehen, dass man ein Problem als gegeben akzeptiert aber darauf verweist, dass es nur einen bestimmten, eventuell kleinen Personenkreis betrifft und nicht allgemeingültig für eine große Personengruppe ist.
Wenn man generalisiert und schwarz-weiß darstellt, Sorgen und Nöte anderer nicht ernst nimmt oder Andersdenkende pauschal verteufelt, nicht mehr ergebnisoffen diskutiert, dann schubladisiert man die Gesellschaft und darf sich nicht wundern, wenn die Menschen die Schubladen annehmen, nur noch untereinander in ihrer Schublade kommunizieren und nur noch Meldungen und Medien vertrauen, die der Schubladenmeinung entsprechen.