Sehr sehr bedauerlich, dass es jetzt gleich zwei Teams so heftig erwischt hat und das Ganze vermutlich auch noch weitere Kreise zieht. Deshalb wünsche ich erst einmal allen Infizierten einen möglichst milden Verlauf, eine baldige Genesung und das nötige Durchhaltevermögen während der Quarantäne.
Ich glaube, die meisten hier sind sich einig, dass “professioneller” Mannschaftssport mit regelmäßigen, engen Kontakten in Spiel und Training ein erhöhtes Ansteckungsrisiko birgt, wie ja auch viele weitere Fälle aus der Sportwelt zeigen. Blieben alle Profisportler einfach zu Hause, hätten wir in diesem Personenkreis zum jetzigen Zeitpunkt spürbar weniger Ansteckungen zu verzeichnen. Mit allen daraus resultierenden (Er)-Folgen.
Dennoch finde ich persönlich manche Aussage etwas zu einseitig, wie beispielsweise diese hier: @gladiatorstrierfan:
Meiner Meinung nach hätte man die Saison erst garnicht anfangen dürfen, egal ob die Liga jetzt Tests verpflichtet hätte, die Coronafälle und Spielabbrüche wären leider auch so gekommen.
Klar, hätte man machen können und dann eben jede Konsequenz in Kauf nehmen. Am meisten hätte es letztlich aber die Spieler selbst getroffen.
Nehmen wir als Beispiel einen durchschnittlichen ProA-Basketballer, der, wie durchaus üblich, letzte Saison einen 8-Monats-Vertrag hatte (vom 01.09.2019 bis 30.04.2020) und dabei 2.000 Euro netto pro Monat verdiente (durchaus anständig). Dazu bestenfalls noch Auto und Wohnung vom Verein gestellt bekam, womit wir bei rund 2.500 Euro Monats-Netto als Berechnungsgrundlage wären.
Wenn die Saison 2020/2021 nun abgeblasen worden wäre und jener Spieler nicht gleich einen Job in der freien Wirtschaft bekommen hätte, müsste er sich folgerichtig arbeitslos melden. Dann hätte er, sofern kinderlos, Anspruch auf 60 Prozent seines letzten (Jahres)-Einkommens. Da es aber nur ein 8-Monats-Vertrag war, in der Saison zuvor vermutlich auch, werden eben 8 x 2.500 € Euro, also in Summe 20.000 € netto als Berechnungsgrundlage für 12 Monate genommen. Macht 20.000 € / 12 = 1666,67 € netto pro Monat. Davon 60 Prozent sind ein Arbeitslosengeld I von genau 1.000 Euro pro Monat. Für die Zeitdauer von maximal 12 Monaten. Davon wiederum hat jener Spieler aber seit Mai 2020, wenn er sich seinerzeit mit Vertragsablauf gleich arbeitslos meldete, bis heute schon fünfeinhalb Monate in Anspruch genommen. Bleiben noch sechseinhalb Monate übrig. Also Anspruch bis 30.04.2021. Danach gibt’s Hartz IV / ALG 2, ein paar hundert Kröten pro Monat und Wohngeld. Das war’s.
Noch hässlicher sieht es für jene jungen Spieler aus, die zuvor vielleicht erst ein oder zwei Saisons im bezahlten Profisport verbrachten. Die haben dann nämlich nur sechs Monate Anspruch auf ALG I. Also bis 30.11.2020, von heute an noch knapp drei Wochen. Beschissen, aber immer noch besser dran als unsere geliebten und gefeierten US-Boys. Sofern diese Deutschland nach dem Saisonabbruch im März Richtung Heimat verlassen hatten, was fast alle taten, hätten sie aufgrund der coronabedingten Einreisebeschränkungen im Spätsommer ohne einen neuen gültigen Arbeitsvertrag bei einem hiesigen Basketballverein schlichtweg gar nicht wieder einreisen dürfen. Weil sie nun aber nicht in Deutschland weilen würden, hätten sie genau NULL Anspruch auf irgendein Arbeitslosengeld, sondern müssten zusehen, wie sie sich in ihrem Heimatland verdingen, um halbwegs über die Runden zu kommen.
Worauf ich hinaus will? Machen wir doch mal die Probe aufs Exempel und starten jetzt eine Umfrage unter allen ProA-Basketballern, ob sie aktuell lieber arbeitslos wären und irgendwas zwischen 0 und 1.000 Euro ALG I / ALG II / etc. pro Monat bekommen, ohne Auto, ohne Wohnung, ohne kostenloses Wifi sind. Oder ob, wie in den letzten Jahren gewohnt, pro Monat 2.000 frische Euros auf ihrem Konto eingehen, zudem Auto, Wohnung, Internet, Strom, Wasser, etc. bereits bezahlt sind.
Und denken wir gern noch über die Langzeitperspektive nach. Wer jetzt spielt, hat, allein weil überhaupt gespielt wird, größere Chancen, dass es im Sommer 2021 noch ausreichend Basketballclubs gibt, bei denen man vielleicht wieder eine neue Anstellung findet. Wer jetzt nicht spielt, weil die Saison komplett ausgesetzt wird, kann ja mal nächsten Sommer schauen, wie viele Clubs es überhaupt noch gibt und wer dann dort die Arbeit macht. Denn ohne Geschäftsführer, ohne Marketingmann, ohne Pressesprecher, ohne Ticketingtyp, ohne Fanartikelverkäufer, etc., die sich ja allesamt in der Zwischenzeit auf Jobsuche begeben müssten oder ebenfalls Richtung Hartz IV abdriften, wird an einigen Standorten dann schlichtweg keiner mehr da sein, der genau jenes Geld von Sponsoren und Zuschauern akquiriert, welches die geneigten Basketballprofis gern als Gehalt auf ihrem Konto sehen möchten.
Ich weiß nicht, welche Erfahrungen ihr in eurem Basketballumfeld gemacht habt, aber ich persönlich kenne keinen einzigen Profibasketballer, der aktuell lieber die Arbeitslosenvariante mit geringerer Ansteckungsgefahr hätte, als die Option mit momentan noch gesichertem guten Gehalt / Wohlstand, aber höherer Ansteckungsgefahr. Im Gegenteil, gerade weil in den letzten Monaten allein in Deutschland 500.000 Menschen arbeitslos geworden sind, weil sich aktuell rund 3 Millionen Menschen hierzulande in Kurzarbeit mit monatlichen Lohneinbußen von bis zu 40 Prozent befinden, ist nahezu jeder Basketballprofi heilfroh, dass er noch einen (gut) bezahlten Job hat.
An dieser Stelle möchte ich gern das Statement im oben verlinkten Nordbayern-Artikel von Sebastian Schröder aufgreifen, den ich immer als sehr sympathischen Typ und als einen Spieler der “schlaueren Art” wahrgenommen habe.
"Man hätte diese Entscheidungen nicht den Vereinen überlassen sollen“, findet er. Der Interessenskonflikt ist in finanziell ohnehin angespannten Zeiten offensichtlich.
Grundsätzlich könnte man dieser Aussage beipflichten. Aber wenn schon, dann bitte auch ehrlich bis zum Ende. Denn wie ich oben versuchte zu beschreiben, besteht aktuell einer der größten Interessenskonflikte finanzieller Art eben genau bei den Spielern selbst. Und selbst wenn man nicht das Hartz-IV-Schreckensszenario an die Wand malt, bleiben mindestens noch die Kosten für regelmäßige Coronatests bestehen.
Um eine halbwegs ausreichende Sicherheit zu gewährleisten, dass ein kürzlich infizierter Spieler nicht unwissentlich noch viele andere ansteckt, musst du mindestens zweimal pro Woche testen. Aber nicht nur die zehn, zwölf Stammspieler eines Teams, sondern auch noch die Talente aus dem Anschlusskader, den Trainerstab, die Physios und engen Mannschaftsbetreuer. Selbst bei verhältnismäßig schmal aufgestellten ProA-Clubs würdest du hier auf rund 20 Leute kommen. Einige davon wohlgemerkt Ehrenämtler oder Minijobber oder Jugendspieler, die es nicht des Geldes wegen, sondern aus ihrer Liebe zum Basketball machen und denen du dann natürlich nicht auch noch die Testkosten aufhalsen kannst.
Der Otto-Normal-Verbraucher, der sich halt einfach mal so testen lassen möchte, muss momentan irgendetwas um die 100,- Euro zahlen (für Test und “Arbeitsleistung” des abstrichnehmenden Personals). Die Regeltests der Profisportclubs fallen genau in dieses Raster. Da zahlt keine Krankenkasse oder Berufsgenossenschaft. Das müssen die Vereine schön selbst stemmen. Natürlich gibt es gerade unter den Topclubs der ersten Liga durchaus einige, die aufgrund einer “Partnerschaft” die Tests von der örtlichen Klinik oder dem nahegelegenen Labor für lau bekommen. Viele andere recht populäre BBL-Vereine schaffen es, zumindest deutliche Vergünstigen auszuhandeln, auch weil man ja sozusagen ein “Dauerkunde” ist. Spätestens in der ProA wird sich aber das Feld derer lichten, denen kostenlose oder kostengünstige Tests in Zeiten landesweit immer knapper werdender Testkapazitäten hinterhergeworfen werden.
Aber nehmen wir hier doch einfach mal für den Durchschnitts-ProA-Ligisten 50 Euro pro Test und Person an. Macht bei 20 Personen halt 1.000 Euro pro Testrunde. Bei zwei Testrunden pro Woche also wöchentlich 2.000 Euro. Bei 28 Tagen pro Monat (Rundung geschenkt, eigentlich sind es sogar 30,4 Tage pro Monat) kommen wir also auf monatlich 8.000 Euro Testkosten für 20 Personen. Da ja aber nur 15 von denen wirklich Geld verdienen, sprich die Topspieler, der Headcoach, der Vollzeit-Teambetreuer, etc., müssten oder sollten sich diese eben in die Testkosten aller Teammitglieder reinteilen, um sich selbst eine größere Sicherheit vor Ansteckung zu verschaffen. Macht also bei 8.000 Euro / 15 Personen genau 533,33 Euro pro Nase und Monat. Stichwort Gehaltsverzicht. Allerdings möchte ich den “Zahlern” gern noch entgegen kommen. Denn damit ihr Arbeitgeber, also der jeweilige Basketballverein, pro Person diese 533,33 Euro monatlich mehr hat, reicht es aufgrund der Differenz von Arbeitnehmernetto zu Arbeitnehmerbrutto zu Arbeitgeberbrutto, wenn jeder Profispieler/-trainer/etc. “nur” auf 200 Euro netto monatlich verzichtet und schon wären die Kosten für zwei Corona-PCR-Tests pro Woche für das gesamte Team abgedeckt.
Hmm, klingt eigentlich gar nicht so viel, um sich damit eine deutliche geringere Ansteckungsgefahr auf dem Basketballfeld zu verschaffen. Nur wenn man dann mal mit den Basketballprofis wirklich ins Gespräch geht, ob sie für jenen Umstand bereit sind, auf 200 Euro monatlich zu verzichten, dann ist es in vielen Fällen auf einmal gar nicht mehr so dramatisch, mit dem SARS-CoV-2-Virus infiziert werden zu können. Dann wird das Risiko plötzlich doch gern in Kauf genommen. Dann will man halt auch nicht auf Gehalt verzichten, wenn man beispielsweise selbst schon eine COVID-19-Erkrankung überstanden hat, also vorerst als immun gilt, nur um für seine Teamkameraden weiter mitzuzahlen. Dann gewinnt schlagartig das Argument an Gewicht, dass all die “verschenkte” Kohle, 200 Euro im ersten Monat, 400 Euro nach zwei Monaten, 1.200 Euro nach einem halben Jahr, es doch eigentlich gar nicht wert sei, weil man ja früher oder später sowieso mal an COVID-19 erkranken und es in diesem Alter ja ohnehin zumeist einen recht milden Verlauf nehmen würde.
Es kann natürlich sein, dass Sebastian Schröder in all diesen Punkten gänzlich anders denkt. Vielleicht hat er bereits ein ausreichendes finanzielles Polster, um mal zwei, drei magere Jahre durchstehen zu können. Vielleicht hat er schon irgendeinen Job in der freien Wirtschaft außerhalb des Basketballs sicher oder zumindest etwas Lukratives in Aussicht stehen. Vielleicht hat er auch einfach keine Sorge vor Wohlstandsverlust oder schlimmstenfalls sogar Armut. Vielleicht ist ihm schlichtweg seine Gesundheit wichtiger, was ich persönlich absolut nachvollziehen könnte.
Deshalb möchte ich seine Aussagen auch nicht grundsätzlich infrage stellen. Aber ich glaube auf der anderen Seite halt auch nicht, dass seine Einschätzung repräsentativ für eine Mehrzahl der Basketballprofis in ProA und BBL steht. Zumindest nicht bei denen, die Konsequenzen bis zum Ende denken. Nein, da nehmen sehr viele Spieler das höhere Ansteckungsrisiko letztlich lieber in Kauf, als auf reichlich Kohle zu verzichten. Und ich finde es sehr fraglich, wenn man mit Statements wie “Man hätte diese Entscheidung nicht den Vereinen überlassen sollen” den Eindruck erweckt, dass in den Clubs nur irgendwelche menschenverachtenden Kaltblüter sitzen, die vollkommen gedankenlos jeden “Spielerverlust” rücksichtslos in Kauf nehmen.
Eher das Gegenteil ist der Fall. Die Verantwortlichen in den Clubs, in den Ligabüros und beim DBB versuchen unter den aktuell megakrass schwierigen Bedingungen (keine Zuschauer, keine VIP-Logen, keine Business-Areas, keine Events, etc.) einfach alles, um jene rund 500 gut bezahlten, versicherungspflichtigen Arbeitsplätze für Spieler und Trainer in ProA und BBL mittel- bis langfristig zu sichern. Um dem Wunsch der Mehrzahl von Spielern und Trainern nach einem gut bezahlten Job zu entsprechen. Um darüber hinaus 500 weitere Arbeitsplätze im Management-/ Marketing-/ PR-/ Event-/ Orga-/ Medical- und Betreuer-Bereich der Vereine, Ligabüros sowie Länder- und Bundesverbände zu erhalten, während gerade deutschlandweit die Arbeitsplätze im Stundentakt verloren gehen.
Ich persönlich finde, dies alles sollte eben auch in solche Diskussionen einfließen. Und ich fände es unglaublich erfrischend, wenn endlich einmal ein Profisportler, dem es momentan augenscheinlich noch nicht an viel mangelt, den Solidaritäts- und Verantwortungsgedanken weiter fortführt und sagt, dass er freiwillig auf ein paar hundert Euro im Monat verzichtet, damit seine regelmäßigen PCR-Tests und die der beiden U20-Talente seines Clubs sowie die des 450-Euro-Teambetreuers bezahlt sind. Oder wenn er auf zigtausende Euros verzichtet, weil genau sein Job als Profisportler zum Zwecke der Abschwächung exponentiell wachsender Ansteckungskurven einfach wegrationalisiert wird. Eigenartigerweise habe ich derartige Forderungen oder Zugeständnisse aus dem Munde irgendwelcher Profisportler in den vergangenen neun Monaten noch nicht allzu oft gehört…