Ich habe mir das Spiel in der Wiederholung angesehen und hatte schon fast damit gerechnet, dass uns eine enge Defense sehr böse auf die Finger hauen wird. Wenn man ehrlich ist, genügte Würzburg auch diese harte und starke Verteidigung im ersten Viertel, um uns den Zahn zu ziehen. Damit war das Spiel entschieden - einfach aus dem Grund, dass es partout nicht gelingt, eine eigene stabile und gute Verteidigung aufzuziehen, aus der heraus man Kraft und Energie für eine an diesem Tag schwächere Offense ziehen kann.
Das Team ist komplett verunsichert und agiert dann auch zunehmend fahrig in der Offense. Aus einer starken Defense heraus tankt man Selbstvertrauen für die Offense (siehe Würzburg, oder am Mittwoch Braunschweig). Dies scheint das Team aber nicht verinnerlicht zu haben. Es passiert halt mal, dass der Wurf nicht fällt, aber dann brauche ich einen Plan B, C, D, usw. Und der müsste Defense, Defense, Defense lauten. Ich glaube das ist auch das eigentlich Enttäuschende für viele, mich eingeschlossen. Das Bewusstsein, dass eine gute, bissige, griffige und leidenschaftliche Defense keine Unsummen, aber eben die richtige Einstellung kostet. Jemand schrieb mal “Sometimes hard work beats talent”. Das ist sicherlich nicht immer so und funktioniert nicht immer, aber damit kann man andere Defizite aufholen. Und das vermisse ich - leider immer wieder. Das Beispiel, dass es funktioniert, war das erste Heimspiel gegen München. Das war eine rundum gute bis sehr gute Leistung. Seither überdeckt eine teils sehr gute Wurfquote, eine teils gute Offense, oder eine teils mittelprächtige Defense die zweifelsohne vorhandenen defensiven Defizite, bzw. es reicht eben nicht (siehe gestern oder gegen Braunschweig). Sind wir ehrlich, dass uns Würzburg so hoch abgeschossen hat, lag auch daran, dass wir kein Scheunentor getroffen haben - sonst wäre es ähnlich gelaufen wie das Auswärtsspiel in Braunschweig - also von der Ergebnishöhe. Würzburg hat aber gestern Spaß gemacht - das war eigentlich “unser” Basketball und das Spiel absolut verdient gewonnen. Und da teile ich die Meinung vieler hier: Ich bin nicht bereit zu akzeptieren, dass man diese Einstellung, diesen Willen, diese Leidenschaft nur dann bekommt, wenn Iisalo an der Seitenlinie steht. Genau das vermisst man aber und genau das kühlt auch die Beziehung zwischen Fans und Team ab.
Es gibt keinen Spieler, der vorangeht und das Team mitreißt und auch das entsprechnde Standing im Team hat. Sengfelder und Pape sind solche Typen nicht und insbesondere Pape ist gerade absolut mit sich selbst beschäftigt und in einem kleinen Loch. Kirkwood ist ebenalls zu sehr mit sich beschäftigt und teils noch zu grün hinter den Ohren. Das gilt für Flagg auch. Fobbs findet sich gut. Watson weiß glaube ich gar nicht mehr, wo ihm der Kopf steht. Kennedy ist ebenfalls zu grün und zu unerfahren und das merkt man auf dem Level auch. Turudic ist limitiert. Frey wäre eigentlich ein Anführer, gerade auch, weil er Moors ja kennt. Aber das läuft stabil auch so gar nicht. Nach meinem Empfinden ist jeder zu sehr mit sich beschäftigt. Da steht von mir aus eine Gruppe von netten Kerls, die sich auch mögen, aber sich nicht füreinander zerreißen und die keine Identität haben - das ist eigentlich Aufgabe des Trainers.
Darüber hinaus sind die Defizite in der Defense eklatant. Wiederholt kann der gegnerische PG machen, was er will. Keiner, wirklich keiner ist in der Lage hier eng, legal und gut zu verteidigen. Fobbs und Kirkwood sind dafür einfach zu schwerfällig. Flagg war auch völlig von der Rolle. Wie er im ersten Viertel von Washington beim Pick n’Roll genarrt wurde…wie gesagt, einfach von der Rolle. Und damit kollabiert die Defense immer schon beim Einstieg in die Systeme. Das ist erschreckend und teils tollpatschig und Slapstick. Vermutlich, weil aber auch einfach die Sicherheit in der Rotation fehlt.
Moors hat die Spieler ausgewählt, also muss er sich auch etwas dabei gedacht haben. Seine Reaktionen nach den Spielen zeigen allerdings, dass es nicht so aufgeht, wie er sich das gedacht hat. Als Außenstehender hat man das Gefühl, die Spieler bekommen die Defense gar nicht hin, die Moors sich vorstellt. Das er verzweifelt ist und damit alles andere als zufrieden ist, verstehe ich aber genauso. Wenn die Spieler, oder manche jedenfalls, nicht smart genug für seine Defense sind, dann müssen sie raus. Wir spielen jedenfalls eine richtig, richtig schlechte und einfach zu brechende Verteidigung. Dabei ist es häufig schlechte/keine Abstimmung und auch der Eindruck, nicht den letzten Push geben zu wollen. Das habe ich gegen München und Braunschweig schon bemängelt, dass man zu “nett” spielt und nicht frühzeitig ein Statement mit einem Foul setzt. Trifft man dann auf eine Mannschaft, die gut verteidigt und hat man selbst keinen guten offensiven Tag, kommt sowas raus wie gestern. Die Basketballweisheit, dass man mit toller Offense auch mal gewinnt, mit einer stabilen Verteidigung aber häufiger, gilt halt nach wie vor fort.
Ich kenne Moors Defensekonzept nicht, aber aktuell ist es leicht aushebelbar. Ob Moors die falschen Spieler ausgewählt hat, ob die ausgewählten Spieler es nicht können, alles nur Spekulation. Fakt ist aber, stabilisiert man sich hier nicht deutlich, wird das ein Shootout-Game-Jahr. Entweder die Offense läuft halt, oder nicht. Ob das der Anspruch vor der Saison war, ich bin mir da nicht so sicher. Tatsächlich erinnert vieles an Moors Zeit in Bamberg. Mich wundert sowas immer, da er in Göttingen ganz ausgezeichnet aus sehr, sehr wenig, sehr viel rausgeholt hat. Aber man erinnere sich: Er hatte immer einen uneingeschränkten Leader: Kamar Baldwin oder Mark Smith. Genau das fehlt aber im Team. Zudem gab es immer athletische Bigman (Nate Grimes, Rayshaun Hammonds). Warum er von dieser Philosophie abgerückt ist…keine Ahnung. Die fehlende Athletik auf den großen Positionen ist auf jeden Fall auch ein Mitgrund für die defensiven Probleme und darüber hinaus eben eine wirklich mangelhafte Verteidigung von einzelnen Spielern, gepaart mit schlechter Teamdefense.
Moors ist in Hinsicht “Einstellung” auf jeden Fall extrem deutlich geworden. Sowohl im Post-Interview auf DYN, als auch in der PK. Einmal sagt er: “Ohne die richtige Einstellung wird man das Ruder nicht rumreißen” und dann sagt er noch “Aber was soll man sagen, wenn man 97 Punkte kassiert? Das ist einfach nicht akzeptabel. Es ist auch nicht akzeptabel, wenn professionelle Sportler nicht mehr Reaktion zeigen und sich vom Gegner so abstrafen lassen. Das geht gegen alles, wofür ich stehe. Daher entschuldige ich mich bei unseren Fans, sie waren großartig. Aber das ist nicht das, was ich von meinem Team sehen will.”
Das ist schon ein sehr deutlicher und heftiger Appell an seine Spieler. Im Grund bringt er damit erneut die Charakterfrage auf den Tisch. Das war vor Wochen schon einmal so. Langsam muss man sich dann aber auch als Fan fragen, Bilanz hin oder her, ob da so alles richtig rund läuft. Sowas darf sich natürlich auch nicht abnutzen, nach den beiden letzten Leistungen hat der Trainer m.E. aber allen Grund dazu.
Ich bleibe grundsätzlich bei meiner Auffassung. Es braucht nicht viel, damit das Team in die Spur findet, aber es braucht etwas. So, wie es aktuell läuft, auch mit dem Personal, reicht es nicht.