Wahnsinn! Jetzt sind wir in diesem Thread schon bei „noch sind wir ein freies Land“ und „DDR 2.0“ angekommen (fehlt nur doch Corona-Diktatur) und gleichzeitig erzählt der gleiche User auch noch, dass es ja nur eine Frage der Perspektive sei, wenn andere Länder Menschenrechte für Mumpitz halten? Bin immer wieder erstaunt, welch Hirnakrobatik manche Menschen hinbekommen. Verschwörungsgläubige sind da besonders talentiert.
Ich denke wir sollten uns allesamt einig sein können, dass Saibou und seine Lebensgefährtin an zwei Querdenken-Demos teilgenommen haben und auf einer Reden auf der Veranstaltungsbühne gehalten haben. Diese Fakten dürfte eigentlich niemand negieren, schließlich streiten dies noch nicht mal die beiden ab.
Querdenken wird mittlerweile bundesweit vom Verfassungsschutz beobachtet. Auch dies ist mit Fakten unterlegt. Im Rahmen dessen wurde sogar eine neue Kategorie geschaffen: Delegimentierung des Staates. Das trägt der Tatsache Rechnung, dass es eben keine ausschließlich Rechtsextreme Bewegung ist. Wie sehr dies allerdings doch mit rechtspopulistischen-/extremen Gruppierungen (AfD, IB, Neue Rechte, etc), Reichsbürgern, Antisemiten (Linker Antisemitismus ist übrigens auch „a thing.“) und Holocaustleugnern (Volkslehrer) sowie Verschwörungsideologen (Ken Jebsen*, Heiko Schrang, Kennedy,…) verwoben, gefördert und organisiert ist, sollte doch mittlerweile aber auch keine Unbekannte mehr sein. Ein Beispiel aus dem engsten Orgakreis: Der Pressesprecher von Querdenken 711 und Ballweg stammt aus dem rechtsextremen Reichsbürgermilieu. Das kann man wissen, wenn man sich mit all dem wirklich beschäftigt.
Warum die Kategorie „Delegimentierung des Staates“? Mmhh, well, könnte es wohl daran liegen, dass Querdenken, dass Grundgesetz außer Kraft setzen wollte/möchte und an dessen Stelle eine neue Verfassung ausgerufen werden sollte? (https://www.tagesspiegel.de/themen/reportage/querdenker-beklagen-besatzungsrecht-als-naechstes-moechten-sie-das-grundgesetz-abschaffen/26145162.html)
Und ja, ich erwarte von einem Verband, der zum DOSB gehört, dass ein Sportler, der sich von einer solchen verfassungsfeindlichen Gruppierung nicht distanziert, nachdem er ihre Bühne genutzt hat und Werbung für ihre Veranstaltungen gemacht hat, nicht nominiert wird. Dieser Spieler kann per se nicht für die Werte Deutschlands sowie der Sportverbände unter dem Dach des DOSBs stehen.
Ich persönlich habe auch keine Entschuldigung von Saibou erwartet. Es gibt da meiner Meinung nach überhaupt nichts zu entschuldigen. Was ich allerdings durchaus erwarte im Rahmen seines Wunsches wieder in der Nationalmannschaft zu spielen, ist dass er reflektiert und sich dann klar distanziert. Das hat er weder in den Monaten vor der Nominierung getan, als auch nicht danach. Wegen mir könnte er sogar sagen: Ich bin noch immer genau dieser Meinung und das gerne noch mit DDR 2.0 erweitern.
Über den Punkt Saibou sind wir doch längst hinaus. Wir haben hier einen Verband, der Deutschland im Sport nach außen repräsentiert und der in diesem Sommer am größten sportlichen Ereignis der Welt teilnehmen möchte und der einen Spieler nominiert, der sich in seinem Verhalten so weit von den Werten der Nationalmannschaft entfernt hat, dass es ein Skandal seinesgleichen ist.
Wir haben hier einen Verband, der anscheinend gedacht hat, das fällt schon keinem auf und kommunikativ vollkommen unprofessionell. Gut, dass ist für den DBB durchaus Alltag, aber hey, das setzte allem bisherigen die Krone auf.
Wir haben hier einen Verband, der riskiert hat, die gesamte Mannschaft zu sprengen, in dem er es nicht für notwendig gehalten hat mit den anderen nominierten oder zumindest den Leistungsträgern und Führungsspielern vorab diese Personalien zu diskutieren. Die Spieler haben wie alle anderen davon erfahren. Wie dilettantisch kann man eigentlich handeln?
Wir reden von einem Verband, der ein Entschuldigungsvideo, welches eher eine non-pology ist, veröffentlicht, bevor es überhaupt zu einem klärenden, persönlichen Gespräch zwischen Saibou, Sportdirektor und Vizepräsident gekommen ist. Man hat sich in dem Moment in eine Sackgasse manövriert und vor diesem Gespräch schon die Nominierung legitimiert. Auch vor einem Gespräch im Mannschaftskreis. Was für ein Gau wäre es gewesen, wenn Spieler nach der Nominierung oder dem Zusammentreffen mit Saibou gesagt hätten: Nein, mit ihm nicht. Wahrscheinlich kann der DBB von Glück sagen, dass die olympischen Spiele wohl der größte Traum für Sportler ist und sich die Gelegenheiten während einer Karriere nur so wenig bieten.
Wir reden von dem Verband, dessen Vizepräsident vor TV-Kameras sagt, da muss schon noch mehr von Saibou kommen, damit er weiter mitgenommen wird. Er bzw. der Verband hat sich hier bestens nicht an seine Worte gehalten, im schlechtesten Fall hat er eiskalt gelogen. Denn es kam vor der Nominierung für den 12er-Kader nichts mehr von Saibou.
Wir reden hier über den Verband, dessen Headcoach die Debatte wie ein bockiges Kind für beendet erklären will. Nur sind wir hier nicht im Kindergarten. Der DBB muss sich daran messen lassen - nicht nur jetzt sondern auch in der Zukunft.
Meine Erwartungen an den DBB sind schon seit mindestens einem Jahrzehnt gering (Kommunikation, Verbandspolitik, Führungskräfte), aber holy moly hab ich mich getäuscht wie sehr diese noch unterboten werden konnten.
(* Zu Jebsen und seiner Entwicklung von Radiomoderator im ÖRR hin zu Deutschlands größtem Verschwörungsideologen gibt es gerade übrigens einen interessanten Podcast (Qui Bono - WTF happened to Ken Jebsen). Kann ich allen nur empfehlen, die sich für Zusammenhänge rund um Verschwörungsideologien und auch diverse Verstrickungen Querdenkenbewegung interessieren.)