Fiba EuropeCup: Würzburg im Halbfinale
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Hallo,
ich bin eigentlich kein Threaderersteller und wunderte mich, dass es für die Würzburger, die immerhin im europäischen Wettbewerb antraten keinen Thread für diese Saison gab.http://www.fiba.basketball/europecup/18-19/games#
Immerhin im Reservecup des FIBA Championleague in den auch die Championsleagueteilnehmer bei knappen Verpassen der Playoffs erreichen könnten, ist Würzburg nun im Halbfinale gegen VARESE, als einzige deutsche Mannschaft. Lediglich Bonn kam aus der Champions-League abgestiegen in diesen Wettbewerb und schief bereits im Achtelfinale aus.
Im Finale wäre ebenso eine italienische Mannschaft sehr wahrscheinlich.
Ich fände es toll wenn Würzburger für die noch letzten Spiele hier uns mit Infos füttern.
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Für Wucherer wird es eine Rückkehr in die Lombardei, wo er als Spieler zwei Spielzeiten für Rekordmeister Mailand und eine für Varese aktiv war. Varese war mit Dino Meneghin die europäische Vereinsmannschaft der 1970er, wo man zehnmal hintereinander (!!) von 1970 bis 1979 im Endspiel des Landesmeister-Europapokals (also dem Vorläufer der EL) stand und auch fünf Titel gewann. 1980 gewann man dann ein weiteres Mal den Pokalsieger-Europapokal, den man bereits 1967 gewonnen hatte, bevor Meneghin mit 31 Jahren 1981 noch einmal nach Mailand wechselte (und seine Karriere noch um mehr als zehn Jahre verlängerte und erst 1994 mit 44 Jahren beendete. Dirk hat also noch ein paar Jahre vor sich! ) Danach war Vareses große Zeit vorbei (1985 verlor man das Korac-Cup-Finale ausgerechnet gegen Mailand mit Meneghin) und man stieg in den 1990er Jahren sogar in die zweite Liga ab. Nach dem Wiederaufstieg konnte Varese vor 20 Jahren noch einmal eine Meisterschaft gewinnen, aber war anschließend zumeist Mittelmaß (inkl. einjähriger Zweitliga-Stippvisite) in der italienischen Liga. Letzte Saison konnte man sich mit Hilfe von Neu-Würzburger Cameron Wells erstmals nach fünf Jahren auf dem sechsten Platz wieder für die Playoffs qualifizieren und sich für einen Europapokal empfehlen.
Die zu Vareses Topscorer zählenden Archie und Scrubb sind an sich auf den Flügelpositionen zuhause und treffen den Dreier zu gut 40%. Der kanadische Nationalspieler Thomas Scrubb hat mal 18 Spiele für Gießen in der Saison 16/17 unter Wucherer gespielt und ist der Bruder des vormaligen BBL-Topscorers Phil Scrubb. Dominique Archie sagt mir persönlich nichts, im vorgerückten Alter von bald 32 Jahren ist Varese neben Ostende der namhafteste Verein, für den Archie bislang gespielt hat. In Ostende hat Archie bereits mit dem belgischen Nationalspieler Jean Salumu zusammen gespielt, der Varese erst im Dezember verstärkte. Salumu ist als Swingman auch eher auf dem Flügel zuhause und trifft im Europe Cup den Dreier bislang noch besser als seine beiden vorgenannten Mitstreiter. Im Europe Cup der mit fast 13 Punkten für Varese am besten punktende Spieler ist der serbische Combo Guard Aleksa Avramovic. Der aus Cacak, Heimatort u.a. von Kicanovic und Zeljko Obradovic, stammende Avramovic trifft zumindest im Europe Cup den Dreier (untypischerweise für Spieler aus Cacak) eher mäßig, kommt aber neben serbischen Defensivqualitäten auf fast vier Vorlagen pro Spiel. Bester Vorlagengeber für Varese ist der mittlerweile auch schon über 30 Jahre alte Ronald Moore, der sich ähnlich wie Archie in Europa langsam nach oben gearbeitet hat. Nach drei Jahren in Pistoia spielt Moore seit dieser Saison für Varese als Nachfolger von Cameron Wells. Zuvor drei Jahren in Frankreich war Center Tyler Cain, bevor er bereits zur vorigen Saison 2017 nach Varese kam. Im Europe Cup erzielt Cain mit 8,8 RpS so viele Rebounds wie Punkte und gehört damit hinter Karsiyakas Ex-Bayreuther Assem Marei zu den Top-Reboundern dieses Wettbewerbs. Sein Vertreter im Frontcourt ist der Antonio Iannuzzi, der zum erweiterten Kader der italienischen Nationalmannschaft zählt nach einem Länderspieleinsatz im letzten Jahr. Weitere Mannschaftskameraden mit nennenswerter Einsatzzeit sind dessen Landsleute Matteo Tambone auf PG und Mannschaftskapitän Giancarlo Ferrero sowie Nicola Natali als Flügel.
Das Spiel von Varese wird von seinen erfahrenen Legionären dominiert, wobei die eigentlich keinen großen Namen haben und sich bislang nicht in höherklassigen Wettbewerben der ECA beweisen konnten. Davon einmal abgesehen ist man in der italienischen Liga als derzeitiger Sechster wieder auf Playoff-Kurs und hat als Team auch im Europe Cup überzeugen können. In der Vorrunde hat man den direkten Vergleich gegen VF-Teilnehmer Alba Fehervar gewonnen, bei denen man die einzige Vorrundenniederlage hinnehmen musste. In der Zwischenrunde hielt man sich auswärts “schadlos”, verlor aber zuhause gegen den nationalen Konkurrenten Sassari und nach Verlängerung gegen Groningen. In den Playoffs war Varese die bislang einzige ungeschlagene Mannschaft und hat nach Siegen gegen Prishtina auch den stark eingeschätzten CL-Absteiger Ostende besiegt, bei dem Wucherer 2007 seine aktive Karriere als Spieler beendet hatte. Als Team konnte Varese überzeugen und die Playoff-Ergebnisse zeigen, dass die Mannschaft “Bock” auf diesen Wettbewerb hat. Varese verlor 2016 das F4-Finalspiel gegen Skyliners Frankfurt im erstmals ausgespielten Europe Cup. Nach einem rein französischen Finalspiel 2017 strebt Varese die Wiederholung eines rein italienischen Finalspiels 2018 diese Saison an und will Nachfolger von Titelträger Reyer Venedig werden.
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Vielen Dank Henk, für die ausführliche Vorstellung des Gegners!
War man in Würzburg anfangs noch skeptisch bezüglich des viertklassigen Wettbewerbs und dessen Sinn, ist die Skepsis nun größtenteils der Euphorie gewichen und man ist heiß auf das Halbfinale. Zum Hinspiel nach Varese werden zwei Fanbusse gesponsert.
Das wird auf jeden Fall ein Highlight für Würzburg und der Sieg des EuropeCup ist nun absolut drin! Gerade da man auch in einem möglichen Finale Heimrecht im zweiten Spiel hätte.
Bisher ist man auch recht souverän aufgetreten, hat u.A. Karsiyaka in der Gruppenphase zweimal geschlagen, im Achtelfinale Saratov ausgeschaltet und den Bakken Bears im Rückspiel des Viertelfinales die Grenzen aufgezeigt.
Denke Sassari, Varese, Würzburg und Holon sind alle auf einem Level. Letztere für mich etwas schwerer einzuschätzen. Denn obwohl in Israel Tabellenführer, wären sie im Rückspiel - trotz eines 33Punkte Polsters aus dem Hinspiel- fast noch an Fehervar gescheitert. Aber die Bonner haben mit Fehervar ja auch schon ihre leidvollen Erfahrungen gemacht….
Wäre genial, wenn neben Alba eine weitere deutsche Mannschaft ein Finale erreicht. Bamberg ist in der Championsleague ja auch noch gut dabei.
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So Finale ist erreicht!
War leichter als erwartet, oder waren wir einfach so gut?
Vielleicht bekommen wir wieder so eine gute Einschätzung vom gegner wie im Halbfinale von User Henk? -
Dinamo Sassari aus Sardinien war vor dem zu Ende gehenden Jahrzehnt ein unbeschriebenes Blatt und stieg erst 2010 unter dem jetzigen Nationaltrainer Romeo Sacchetti erstmals in die höchste italienische Spielklasse auf. Da war man jedoch gleich erfolgreich mit Spielern wie Travis Diener sowie dessen Bruder Drake und erreichte immer die Playoffs. Nach dem weitgehend erfolglosen internationalen Debüt im Eurocup 2012/13 schaltete man in der folgenden Saison nach dem Vorrundensieg in diesem Wettbewerb in der Zwischenrunde mit dem Ex-Trierer Caleb Green EL-Absteiger Brose Baskets aus (und sägte weiter am Stuhl von Coach Fleming, der anschließend vom Italiener Trinchieri beerbt wurde). Im Achtelfinale war dann Schluss gegen ALBA Berlin. In jener Saison gewann mit dem Pokalwettbewerb erstmals einen Titel. Ohne die Dieners und Green, aber mit dem US-Polen und Ex-Albatros David Logan und Ex-Brose Rakim Sanders durfte man sogar in der EL 2015/16 starten, nachdem die schummelnden Montepaschi Siena dort nicht mehr erwünscht waren. Hier reichte er nur zu einem Sieg in zehn Vorrundenspielen, aber den nationalen Pokalwettbewerb konnte man erneut gewinnen. In der Meisterschaft reichte es nach einer Sieben-Spiele-Runde im HF gegen Titelverteidiger Armani Mailand sowie einer Sieben-Spiele-Runde im Finale gegen Reggio Emilia sogar erstmals zum nationalen Titelgewinn. In der folgenden EL-Saison ohne Erfolgstrainer Romeo Sacchetti blieb Sassari sieglos und war insgesamt finanziell etwas schwächer aufgestellt, so dass man sogar den 40-jährigen “Haudegen” Denis Marconato reaktivierte. In der Meisterschaft erreichte der Titelverteidiger als Siebter die Playoffs, in denen man sieglos blieb. Letzte Saison erreichte man erstmals nach dem Aufstieg aufgrund eines verlorenen Dreier-Vergleichs als Zehnter nicht die Playoffs um die Meisterschaft und durfte, nachdem man bereits während der Saison von der CL in den Europe Cup abgestiegen war, in dieser Saison direkt im Europe Cup starten. In der Vorrunde verpasste man den Vorrundensieg im direkten Vergleich gegen den ungarischen Vertreter Szolnoki Olaj. Der hätte trotz einer Heimniederlage gegen den Würzburger HF-Gegner Varese aber auch zum Gruppensieg in der Zwischenrunde gereicht, nach einer weiteren Niederlage von Varese war dieser aber unangefochten. In den Playoffs gegen ZZ Leiden, Pinar Karsiyaka und UNET Cholon blieb man ungeschlagen, einzig in Izmir konnte man gegen den neuen Klub von Ex-Bundestrainer Bauermann bei einem seltenen Unentschieden nicht gewinnen.
Im Kader von Sassari finden sich vielleicht für BBL-Kenner etwas bekanntere Namen als in dem von Sassari, aber insgesamt finde ich ihn auch nicht wirklich stärker als den von Varese. In der italienischen Meisterschaft liegen die Sarden daher auch gleichauf mit den Lombarden auf Platz Acht. Auch wenn das historisch ungewöhnlich klingt, einen Platz Acht in der BBL würde ich mittlerweile stärker einschätzen als einen Platz Acht in der Serie A. Davon gewinnt man aber keine Spiele. Als Trainer hat im Februar 2019 Gianmarco Pozzecco übernommen, als Spieler einst olympischer Silbermedaillengewinner 2004. In seiner knapp zehnjährigen Trainerkarriere, unter anderem als Assistent für Cedevita in Kroatien, hat Pozzecco IMHO bislang noch nichts erreicht. Im Backcourt agieren der US-Amerikaner Jaime Smith, der sich in seiner Profikarriere aus Portugal über die Schweiz, Belgien und die Ukraine nach Italien vorgearbeitet hat, neben dem aufstrebenden Lokalhelden Marco Spissu, der bislang jedoch nur in den Jugendnationalmannschaften aktiv war. Als Combo Guard kam Mitte Januar 2019 aus der Türkei der Ex-Bremerhavener Tyrus McGee dazu, der nach Bremerhaven bereits drei Saisons in Italien gespielt hat. Ihnen fehlt mW weiterhin der bereits seit letzter Saison in Sassari spielende US-Kosovare Scott Bamforth, der zuvor vier Jahre in der ACB spielte. Als Nachverpflichtung kam unter anderem der weitgereiste “journeyman” Justin Carter hinzu. Stefano Gentile, selbst zweimal vor Jahren bereits als A-Nationalspieler aktiv, ist der ältere Bruder des weitaus bekannteren, aber mittlerweile auch nicht mehr sonderlich gefragten Alessandro Gentile. Dazu kommt im Backcourt bereits in seiner zwölften Saison für Sassari Mannschaftskapitän Giacomo Devecchi.
Den Frontcourt von Sassari finde ich weitaus interessanter und stärker einzuschätzen. Zum einen ist da der ehemalige Braunschweiger Flügelspieler Dyshawn Pierre zu nennen, ebenfalls bereits in seiner zweiten Saison in Sassari aktiv. Mutmaßlich die Stars des Teams sind Topscorer Rashawn Thomas, der aus der G-League kommend immer für ein Double-Double gut ist, sowie der italienische Nationalspieler Achille Polonara, der als Stretch-Four eigentlich aus der Distanz gefährlich ist, aber im Europe Cup dort bislang nicht gut getroffen hat, und ansonsten als ehemaliger Slam-Dunk-Contest-Sieger auch als “Slasher” gefährlich ist. Polonara spielt ebenfalls bereits in seiner zweiten Saison in Sassari, nachdem er bereits in Varese sowie drei Jahre für Reggiana in Reggio Emilia aktiv war (und dort unter anderem die Finalserie 2015 gegen Sassari verloren hat). Auf Center dürfte der ehemaliger Ludwigsburger Jack Cooley gut bekannt sein, der letzte Saison noch einen “Two-way-contract” bei den Sacramento Kings in der NBA hatte. Ihm zur Seite steht der erfahrene Ex-Nationalspieler Daniele Magro, dessen beste Zeit aber anscheinend schon hinter ihm liegt.
Fazit: Ich denke, Sassari ist schlagbar. Interessant dürfte die “rim-protection” am Korb sein, wo man Rashawn Thomas kontrollieren muss, der auch als Dreierschütze gefährlich ist. Defensiv kommt da also einiges auf Xavier Cooks sowie Olaseni und Morrison zu, die auch einige Arbeit mit Cooley haben dürften, aber sich tunlichst aus Foultrouble heraushalten sollten. Zudem muss man auf Polonara und Pierre aufpassen sowie McGee achten. Den Backcourt von Sassari sollte man aber eigentlich kontrollieren können. Insgesamt ist Sassari vielleicht eine etwas ausgeglichenere und international erfahrenere Truppe als Varese.
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Leider ist das bisher ohne Reaktion geblieben, deshalb: Vielen Dank für die wiederholt sehr ausführliche Vorstellung der gegnerischen Teams
Ich denke, die wenigsten haben sich wirklich ausführlich mit den Mannschaften beschäftigt, daher sind die Texte wirklich hilfreich und auch gut zu lesen.
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bei mir jetzt auch Gibts irgendwo Bild mit englischem Kommentar?
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Spannendes Spiel bisher. Schön auch das wir diesmal Kommentatoren haben.
https://www.facebook.com/s.OliverWuerzburg/videos/431094947655272/
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Schade. Am Ende war es das Reboundverhalten und das fehlende Matchup gegen Thomas unter dem Korb. Glückwunsch an Sassari.
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Interessant noch, dass Europe-Cup-Sieger Sassari sich noch sicher als Vierter für die italienischen Playoffs qualifiziert hat, während Varese in einem Vierer-Vergleich knapp am Einzug gescheitert ist. Anschließend zeigte sich Sassari weiter beflügelt vom Titelerfolg und war bis zum Finale ungeschlagen in den Playoffs, darunter auch drei Siege gegen den Hauptrundenersten und EL-Teilnehmer Olimpia Armani Mailand. Erst im Finale musste man zum Auftakt eine knappe Zwei-Punkt-Auswärtsniederlage beim HR-Dritten Venedig kassieren. Jetzt folgte mit einem 14-Punkte-Sieg der Ausgleich in der italienischen Finalserie. Sassari also mit guten Chancen auf den zweiten Titelerfolg nach 2015, während Reyer Mestre nach zwei Vorkriegs-Meisterschaften den zweiten Titelgewinn in jüngerer Zeit nach 2017 anpeilt.