Basketball: reine "Kopfsache"... was kann man dafür tun???
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Angeregt von den aktuellen Diskussionen rund um das Abschneiden der Herren-NM bei der EM und den öffentlichen Umgang damit dachte ich es wäre für Aktive und Trainer doch eigentlich ein weites und interessantes Feld darüber mal zu diskutieren und Erfahrungen auszutauschen.
Da ist viel von “erfahrenen” Spielern die Rede und davon erst noch “Erfahrungen machen” zu müssen.
Es wird unheimlich viel z.B. von “mental toughness” geredet wenn man über durchsetzungsfähige Spieler und vor allem Teams(!) diskutiert die gerade in der “Crunchtime” öfter als andere erfolgreich sind und gute Entscheidungen treffen.
Das Ganze kann man z.B. auch im Gegensatz zum “Heroball” zu sehen, wenn der Star des Teams i.d.R. in der Crunchtime den Ball bekommt und durch spektakuläre Aktionen versucht das Spiel alleine für sein Team zu entscheiden. Es ist statistisch nachgewiesen dass selbst bei den größten Superstars diese Variante die weniger erfolgreiche ist. Z.B.: Link1 Link2 Link3
Allerdings bleiben solche Aktionen wenn sie gelingen bei den Fans eher haften, weshalb diese Spieler für solche Aktionen öfter bewundert als kritisiert werden.Top Teams gewinnen oft deutlich mehr Spiele die mit weniger als 5 Punkten Unterschied ausgehen als andere. Anders herum betrachtet bemerkt man noch öfter dass Mannschaften die eher im unteren Drittel der Tabelle rangieren dass sie anscheinend doch “erstaunlich gut” mit Top Teams von ganz oben mithalten und eben nur knapp verloren haben. Dafür können sie sich halt nichts kaufen und bleiben trotzdem im Tabellenkeller, da sie einfach nicht über die Möglichkeit verfügen den berühmten “Schalter” umzulegen und in entscheidenden Momenten die Intensität hochfahren können, und dabei gleichzeitig die eigene Fehlerrate entscheidend minimieren - und zwar alle auf dem Feld, nicht nur die Top Leistungsträger! Die Konzentration maximieren und Fehler minimieren.
Auch gehört dazu als Team Spieler dabei zu haben, die die Fähigkeit besitzen Spiele regelmäßig an der Freiwurflinie entscheiden zu können und zu wollen - und diese in der Crunchtime natürlich auch konsequent dann zu suchen! Als Skyliners-Fan erinnere ich da allzu gerne an Pascal Roller - ein Parade-Beispiel für diese Qualität! Mit Pascal auf dem Feld ging Stop-the-clock der Gegner regelmässig nach Hinten los… bei über 90% Freiwurfquote auch und gerade in der Crunchtime! Dirk ist im übrigen auch so einer.
Nochmal einige Referenzen zur Herren-NM bei der EM:
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In drei Spielen auf Augenhöhe geschahen am Ende immer wieder “unforced errors” (vermeidbare Fehler) in Situationen in denen man eigentlich das Momentum sogar auf der eigenen Seite hatte. Heiko diskutiert beim vordribbeln mit dem Schiri und begeht ein schusseliges Offense-Foul. Zwiener dribbelt auf der Flügelposition eine Pirouette gegen seinen Gegner (ohne eine überzeugende Absicht erkennen zu lassen tatsächlich 1:1 gehen zu wollen) und passt zurück ins Leere…
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In allen drei Spielen ist das Momentum am Ende gekippt - gegen die Deutsche Mannschaft. Mir ist es zumindest in zwei Fällen in Erinnerung dass Heiko kurz nach diesem Kippen - als man aber noch auf unmittelbarer Tuchfühlung war, nur eben nicht knapp vorne sondern nun knapp hintenliegend - versuchte, durch Würfe die man als “Heroball” bezeichnen könnte dem Spiel erneut eine entscheidende Wende zu geben. Leider jedes mal vergebens.
3) Sowohl im Vorbereitungsturnier als auch bei der EM war das zweite Viertel IMMER schlecht. Das muß bekannt gewesen sein und ich setze voraus dass man versucht hat das anzusprechen und zu ändern. Es ist ganz offensichtlich nicht gelungen - warum?
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Man gewinnt zwei als Bedeutungslos angesehene Spiele gegen die vermeintlich stärksten Gegner, verliert aber drei “must-win” Spiele gegen machbare Gegner die auch imho nicht viel stärker als erwartet spielten (Die Briten etwas stärker als erwartet aber noch immer nicht annähernd überirdisch).
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Frage an gelernte Psychologen unter uns: Sowohl die Erwartungshaltung als auch Kritik an den Spielern in der Öffentlichkeit seitens des Verbandes war/ist bislang gefühlt extrem niedrig. War/ist das psychologisch gesehen falsch oder richtig (im Hinblick darauf die Spieler dadurch mental stärker und belastbarer machen zu wollen)?
Abschließend zu den Fragestellungen die ich hier zur Diskussion stellen möchte:
Wieviel davon ist einfach durch Erfahrung zu verbessern(heisst für mich vereinfacht: das hab’ ich schonmal erlebt, also weiß ich jetzt wie damit umzugehen ist)? Wieviel “Cleverness” entspringt allein der Erfahrung?
Wieviel “Erfahrung” braucht es um ein cleverer, abgebrühter Spieler zu werden? Oder: welche Art Erfahrungen machen Spieler cleverer/abgeklärter?
Was kann man tun um die mentale Stärke von Spielern - bzw. Teams entscheidend zu verbessern?
Was habt Ihr bei Euren (Jugend-)mannschaften in dieser Hinsicht vielleicht erfolgreich erprobt?
Wie wichtig ist mentale Schulung und Betreuung im Leistungs-Basketball? Wird hier schon genug getan in Deutschland? Was wird überhaupt getan? Ich denke die meisten BBL-Teams haben eigene Psychologische Betreuer - hat da jemand Einblicke was die machen und wie erfolgreich das ist? Trainer werden vergleichsweise oft gewechselt - hätte ein Wechsel des Mentalcoaches evtl. manchmal den größeren Effekt?
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wie wärs mit Sportpsychologen wie es auch bei Bamberg schon praktiziert wird?
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Es gibt auf Youtube eine Vorschau zu nem spannenden Vortrag über Mental Toughness von PGC Basketball…
sehenswert …
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Schon wahr - und es gibt eigentlich jede Menge solcher Vorträge zu finden.
Das ist ganz sicher auch ein wichtiger Teil zur Lösung des Problems: an der Einstellung jedes Einzelnen zu arbeiten.
Dazu gibt’s z.B. auch ein paar bekannte Zitate von Michael Jordan die bei solchen Vorträgen gerne zitiert werden, z.B.:
“I’ve missed more than 9000 shots in my career. I’ve lost almost 300 games. 26 times, I’ve been trusted to take the game winning shot and missed. I’ve failed over and over and over again in my life. And that is why I succeed.”
“I’ve never been afraid to fail.”Mich interessiert nun aber hauptsächlich die Praxis dazu, Motivation ist dafür natürlich eine Grundvoraussetzung.
Allein der Wille und die Fähigkeit sich selbst, bzw. seine Mannschaft für kurze Zeit nochmal “extra” motivieren zu können ist eine Sache - das reicht aber in meinen Augen noch lange nicht aus um den entscheidenden unterschied zu machen! “Notwendig aber nicht hinreichend” hätte mein Mathe-Prof damals gesagt…
Motivation ist nur eine Seite der Medallie, was viel wichtiger ist: wie bekomme ich die Spieler dazu auch fokussiert und kontrolliert zu agieren wenn’s darauf ankommt?
Eben nicht mit dem Kopf durch die Wand - und auch kein Heroball, sondern den Druck bis zum Anschlag zu erhöhen ohne selbst dabei die Kontrolle zu verlieren.
Kann man das üben? Geht das nur über “Erfahrungen”?Was kann man tun um genau das zu trainieren?
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Wir trainieren gelegentlich solche Situation meist am Ende einer Einheit.
Vorgabe +10 Punkte für Team A und noch 3 min zu spielen, aber das ist wohl eher für Jugendbasketball geeignet um zu lernen wie man einen Vorsprung verwaltet und mit Druck umgeht
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Finde ich nicht, ich finde das sehr geeignet für jedes Alter.
Ich muss allerdings auch sagen, dass ich es absolut bedenklich finde, wie wenige Profivereine mit Sportpsychologen arbeiten. In anderen Ländern gehört das bei allen Profivereinen zum guten Ton, hier verbuchen das viele - fälschlicherweise, wie ich finde - immer noch unter Luxusausgaben.
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Wir trainieren gelegentlich solche Situation meist am Ende einer Einheit.
Vorgabe +10 Punkte für Team A und noch 3 min zu spielen, aber das ist wohl eher für Jugendbasketball geeignet um zu lernen wie man einen Vorsprung verwaltet und mit Druck umgeht
Ich bin der Meinung, dass man sowas nicht trainieren kann. Im Hinterkopf ist immer, dass es nur Training ist. Das ist wie ein entscheidender Freiwurf, man hat im Training immer im Hinterkopf, dass es im Prinzip um nichts geht. Vergleichbar beim Fußball mit dem Elfmeterschießen.
Aber ein sehr spannendes und interessantes Thema!
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Ich hab da ne ganz andere Meinung zu. Nach deiner Theorie könnte man ja eigentlich gar nichts trainieren, weil man bei allem (Wurftraining, Passtraining, Walkthrough etc.) permanent im Kopf hätte, dass es nur Training ist und nicht Spiel.
Ich behaupte, dass man Teams mit dieser Art Situationstraining hervorragend auf entsprechende Spielsituationen vorbereiten kann.
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Vorgabe +10 Punkte für Team A und noch 3 min zu spielen
Das ist, finde ich, eine ganz gute Übung die in die Richtige Richtung geht, auch wenn es natürlich eine entscheidende Spielsituation nur sehr unvollständig repliziert.
Aber irgendwo muss man ja mal anfangen…Es ist natürlich generell ganz schwierig in einem Training eine Spannung aufbauen zu wollen die so einer Situation in einem echten Spiel auch nur annähernd gleichkommt.
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3 Dinge dazu:
Zitat (ungefähr, dem Sinne nach; von wem, weiß ich leider nicht):
“90 % der Leistung im Spitzensport werden rein mental entschieden - der Rest ist Kopfsache.”Spricht jedenfalls klar für deine These des verstärkten Mentaltrainings.
Als Anschauungs"material", wie es auch anders geht als bei der Bb-Männer-Nat.-Mannschaft, schaue man sich doch einmal die Vb-Frauen-Nat.-Mannschaft (Frauschaft?) an, gerne auch mit den entsprechenden Interviews.
Was für eine mentale Vorbereitung/ Teameinstellung will man von einem Frank “Karsten, setz dich mal hin.” Menz erwarten?
Die Sache mit dem 2. V ging ihm anscheinend bis zuletzt völlig am A… vorbei… -
Hat hier jemand Erfahrung mit mentaler/sportpsychologischer Betreuung?
Egal ob als Betreuer oder als Betreuter!Würde mich interessieren da mal ein wenig aus dem “Nähkästchen” zu hören… was wird da gemacht - habt Ihr dabei “Schlüsselerlebnisse” gehabt wo Ihr hinterher (vielleicht auch erst etwas später) dachtet “das hat funktioniert/hat mir/uns geholfen/hat mich/uns einen entscheidenden Schritt weitergebracht”?
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Ich glaube auch das die psychische Komponente viel mehr Einfluss hat als oft angenommen.
Beruflich sowie als Trainer arbeite ich gerne mit “Umgekehrter Bestätigung” sprich ich lobe einen Spieler für ein Verhalten welches ich mir von ihm wünsche.
Dadurch möchte der Spieler die Erwartungen nicht entäuschen und wird a) selbtsicherer und b) gibt sich mehr mühe/strengt sich mehr an.“Ich finde es gut wie hart du am Ball verteidigst” führt zu einer Identifikation mit harter Defense und “unbewusst” wird der Spieler 120% Defense spielen.
“Den Michi verteidigt ihr bitte enger, dass ist ein super Shooter” (so das es Michi hören kann ) führt zu einem gesteigertemn Selbstbewusstsein und einer besser Quote.
Justmy2cents