Ausgeruhte Münchener Favoriten gegen heiße Ulmer Underdogs
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Ausgeruhte Münchener Favoriten gegen heiße Ulmer Underdogs
Was bringt der überraschende Heimvorteil ausgeruhten Favoriten aus München gegen heiße Ulmer Underdogs?
Status quo: Das Halbfinale zwischen dem FC Bayern München und ratiopharm ulm beinhaltet für beide Teams eine Überraschung. Zum einen hatten die Bayern sich seit Anfang April damit abgefunden, ohne Heimvorteil ins Playoff-Halbfinale zu gehen, aber nachdem Ulm im Viertelfinale den Tabellenzweiten Berlin aus dem Weg geräumt hat, kann der Vizemeister nun im Halbfinale doch auf den Heimvorteil zählen. Und die Ulmer haben generell damit überrascht, dass sie als Siebter den Meister der vergangenen drei Jahre souverän ausgeschaltet haben, schließlich gingen die früheren vier Playoff-Serien gegen die Albatrosse alle verloren.
Nach diesem Coup wittern die heiß gelaufenen Schwaben, die große Chance auf einen noch größeren Wurf. Denn wie Berlin steckt den Münchenern eine strapaziöse EuroLeague-Saison in den Knochen und den Ulmern „nur eine 14 Spiele weniger umfassende EuroCup-Saison. Aber die Bayern konnten schon die letzten Punktspiele nutzen, um wichtige Leistungsträger zu schonen und stießen auch in ihrer Viertelfinalserie beim Sweep über Göttingen auf weniger Gegenwehr als die Ulmer, die auch am Mittwoch beim 83:81 über Berlin noch einmal an ihr Limit gehen mussten. Zudem steht Trainer Andrea Trinchieri auch ohne die verletzten Vladimir Lucic, Augustine Rubit und Othello Hunter immer noch ein Kader zur Verfügung, der tiefer ist als der von Anton Gavel.Die Trainer: Meistermacher gegen Debütant
Anton Gavel ist in seinem ersten Jahr als BBL-Headcoach ins Halbfinale vorgedrungen (ebenso wie Ludwigsburgs Josh King jetzt auch und Berlins Israel Gonzalez 2022), aber ihm gegenüber steht nun mit Andrea Trinchieri einer der erfahrensten Cheftrainer Europas, der mit Bamberg drei Mal Deutscher Meister war, mit den Bayern aber diesen Titel noch nicht gewinnen konnte. Wenn die Stationen von Trinchieri und Gavel verglichen werden, ist es erstaunlich, dass sie noch nie zusammengearbeitet haben: Trinchieri war vier Jahre in Bamberg und ist seit drei Jahren in München, Gavel war fünf Jahre in Bamberg und vier Jahre in München, wo er 2018 zum Abschluss seiner aktiven Karriere das Double gewann (Foto).
Alte Bekannte: Karim Jallow und Andi Obst
Aber Gavel ist nicht der einzige Akteur, der schon beim Gegner unter Vertrag stand: Der gebürtige Münchener Karim Jallow wurde bei den Bayern groß, wo er von 2015 bis 2018 seine ersten 39 BBL-Einsätze an der Seite seines heutigen Trainer spielte. 2018 trennten sich die Wege: Gavel beendete seine aktive Karriere und Nationalspieler Jallow wurde von den Bayern nach Ludwigsburg ausgeliehen. Seit 2021 spielt der Nationalspieler für Ulm. EM-Held Andreas Obst kehrte 2019 nach einer Saison für den spanischen Erstligisten Obradoiro in die easyCredit BBL zurück und empfahl sich von 2019 bis 2021 mit starken Leistungen in Ulm für einen Wechsel zum Münchener Europaligisten.
Duelle im Fokus: Ulms brasilianisches Duo gegen Münchens NBA-Duo
In diesem Halbfinale gibt es jede Menge interessante Duelle. Wir konzentrieren uns an erster Stelle auf zwei Aufbau-Center-Duos: Cash Winston und Freddie Gillespie gegen Yago dos Santos und Bruno Caboclo: Die beiden Münchener Europa-Rookies mit NBA-Erfahrung treffen auf Ulms brasilianisches Nationalspieler-Duo. Wobei Yago und Caboclo vor der Saison auch noch nicht in Europa gespielt haben, aber natürlich mit ihrem Nationalteam Erfahrung in den internationalen FIBA-Wettkämpfen gesammelt haben. Bei München wurde darüber gesprochen, dass ohne Lucic, Rubit und Hunter viel Erfahrung fehlt, nun können Winston, Gillespie und auch Backup-Fünfer Zylan Cheatham zeigen, dass sie das auffangen können.
Weitere Duelle wären auf der Zwei Andi Obst gegen Tommy Klepeisz (zwei Ausnahmeschützen, die auch den Ball bringen können) oder die Nationalspieler Niels Giffey und Karim Jallow, wobei sich Letzterer gerade schon mit Louis Olinde, also mit Giffeys Nachfolger in Berlin, ein ebenso sehenswertes wie physisches DBB-Duell geliefert hat.Isaac Bonga und Philipp Herkenhoff
Münchens X-Faktor: Nationalspieler Isaac Bonga (1999 geboren) war schon in den letzten Punktspielen der Hauptrunde (nach dem Ende der EuroLeague) neben Nick Weiler-Babb der konstanteste Münchener Spieler und war auch in der Viertelfinalserie ein Schlüsselspieler für Andrea Trinchieri. Mit seiner Kombination aus Athletik und Größe kann er jede Position verteidigen und wäre mit dieser Qualität in der Serie gegen Ulm sowohl eine Option gegen Yago wie auch gegen Caboclo.
Ulms X-Faktor: Philipp Herkenhoff (auch 1999 geboren) hat sich nach einer fast einjährigen Verletzungspause seit April Schritt für Schritt wieder ins Spiel hineingetastet und hat pünktlich für das Halbfinale wieder seine Form erreicht, die ihn vor seinem Kreuzbandriss auszeichnete. Am Mittwoch im vierten Viertelfinale gegen Berlin war der auf den Positionen vier und fünf einsetzbare Nationalspieler mit vier von fünf Dreiern beim Ulmer 83:81-Sieg sogar der Matchwinner. Er könnte gegen München auch auf den drei Jahre älteren Niklas Wimberg treffen, mit dem ihn auch abseits der Spielposition etwas verbindet: Wimberg wurde in Oldenburg ausgebildet, Herkenhoff um die Ecke in Quakenbrück und Vechta.Die besondere Brisanz
Der FC Bayern München ist das letzte Team im Rennen, das bereits einen Meisterschafts-Stern auf dem Trikot hat, Bonn, Ulm und Ludwigsburg dagegen haben noch nie die Deutsche Meisterschaft gewonnen. Nach 2009 hieß am Ende der Playoffs der Sieger immer Bamberg, Berlin oder Bayern. Und selbst die Finals dominierten diese drei Klubs: Wird das Corona-Jahr mit dem Final-Turnier 2020 ausgeklammert, ist es das erste Mal seit der Saison 2011/12, dass nur einer dieser drei Vereine das Halbfinale erreicht. Übrigens: Anstelle der großen Favoriten zog 2012 Ulm ins Endspiel ein, unterlag dort aber Bamberg in drei Spielen (mit Per Günther, der nun nach seinem Rücktritt die Playoffs als Experte bei MagentaSport begleitet). Sollte Ulm München ausschalten, gäbe es also eine Finalserie zweier Teams, die beide noch nie Meister waren. Wie selten das ist? Nun ja, in den vergangenen 25 Jahren gab es das genau drei Mal: 2009 (Oldenburg gegen Bonn), 2004 (Frankfurt gegen Bamberg) und 1997 (Berlin gegen Bonn).
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