Historische deutsche Teams: Fraport Skyliners 2015/2016
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Historische deutsche Teams: Fraport Skyliners 2015/2016
In dieser neuen Rubrik werfen wir einen Blick zurück auf besondere Teams in der jüngeren BBL-Geschichte. Manche schafften sportliche Überraschungen, manche begeisterten mit ihrem Spiel die Fans in Deutschland und manche erreichten Meilensteine, die keiner zuvor schaffte. Was wurde aus den Protagonisten dieser Spielzeiten, für welche Spieler war dies der Kickstarter in ihrer Karriere, welche konnten danach nie wieder an diese Erfolge anknüpfen und welche Spieler tummeln sich noch Jahre später in Deutschlands Basketball-Hallen? Ihre Geschichten sollen in dieser Rubrik erzählt werden.
Die Fraport Skyliners und der FIBA Europe Cup Titel.
In der Main-Metropole begann am 04. Juli 2023 ein neues Kapitel in der Geschichte der Skyliners. Nach 24 Jahren Erstliga-Basketball in Frankfurt stand fest, dass alle 18 sportlich qualifizierten Teams auch eine Lizenz für die kommende BBL-Saison bekommen haben und die Fraport Skyliners zum ersten Mal in ihrer Vereinsgeschichte in der zweitklassigen Pro A spielen werden. 1999 hatte Gunnar Wöbke, noch heute Geschäftsführer der Skyliners, das Bundesliga-Team aus Rhöndorf nach Frankfurt gebracht. In ihrer Debütsaison erreichte das Team unter dem neuen Trainer Stefan Koch den dritten Platz in der BBL, dazu holte man den ersten Titel: BBL-Pokalsieger 2000. Die erste Meisterschaft folgte 2004 unter Kochs Nachfolger Gordon Herbert, im Pokal unterlag man im Finale RheinEnergie Köln, das Double verpasste man nur knapp. Die Saison 2009/2010 war in den kommenden elf Jahren sportlich die erfolgreichste, man erreichte sowohl das Finale der deutschen Meisterschaft, als auch das des Pokals, gegen die sich entwickelnde Bamberger Dominanz kam man allerdings nicht an und verlor die Finalserie (3:2) und das Pokalfinale. 2015/2016 setzten die Skyliners nochmal ein sportliches Ausrufezeichen, national wie international, bevor der langsame Abstieg begann, der 2022 mit dem Klassenerhalt per Wildcard nur um einen Sommer verschoben werden konnte.
Doch zurück in die Saison 2015/2016. Die Skyliners hatten die vorangegangene Saison als Sechster der BBL abgeschlossen und es bis ins Final Four der FIBA Eurochallenge geschafft mit einem jungen, deutschen Kern, den man über mehrere Jahre entwickelt hatte. An der Seitenlinie stand seit 2013 bereits zum dritten Mal Gordon Herbert, der nach einem Abstecher bei Alba Berlin zurück an den Main gewechselt war. Das junge Frankfurter Team spielte, angeführt von Point Guard und Top-Scorer Jordan Theodore, eine überragende BBL-Saison und gewann 26 der 34 Hauptrundenspiele, darunter auch ihre Heimspiele gegen die Drei Großen B’s Bamberg, Bayern und Berlin. In den Playoffs schaltete man dann im Viertelfinale Alba souverän in drei Spielen aus, bevor man dann im Halbfinale in vier Spielen am späteren Vizemeister Ulm scheiterte. In Spiel Vier verpasste man nur knapp die Sensation, als man in den letzten 1:33 Minuten fast noch einen Zwölf-Punkte-Rückstand aufholte und mit dem Buzzer noch die Chance auf das alles entscheidende fünfte Spiel zu Hause hatte. Auch im Pokal erreichte man nach einem Sieg über die EWE Baskets Oldenburg das Halbfinale, schied dort aber aufgrund eines Game-Winners von Albatross Jordan Taylor gegen Berlin aus.
Geschichte schrieben die Frankfurter allerdings international. Als Teil der Umstrukturierung der internationalen Wettbewerbe seitens der FIBA traten die Skyliners 2015/2016 im neugegründeten FIBA Europe Cup an, dem Nachfolge-Wettbewerb der FIBA EuroChallenge. In der Gruppe U mit Gaziantep (Türkei), Södertälje (Schweden) und Radom (Polen) setzte man sich souverän mit sechs Siegen und einer durchschnittlichen Punktedifferenz von +18 als Gruppensieger durch. In den Playoffs schaltete man im Achtelfinale das zypriotische Team AEK Larnaca um den Ex-BBLer Brandon Bowman mit 2:0 in der Best-of-Three-Serie durch. Im Viertelfinale verlor man gegen Maccabi Rishon LeZion zwar Spiel Zwei in Israel, setzte sich aber nach zwei Heimsiegen deutlich und souverän durch, sodass man sich für das erste Final Four des neuen Wettbewerbs in Chalon (Frankreich) qualifizierte.
In Chalon trafen sich dann Ende April neben den Frankfurtern und Gastgeber Chalon auch Varese (Italien) und Enisey Krasnoyarsk (Russland). Im ersten Halbfinale setzte Varese mit 91-82 gegen Chalon durch, im zweiten Halbfinale gab es dann die Wiederholung der Viertelfinal-Serie der letztjährigen EuroChallenge, Fraport Skyliners gegen Enisey. In einem Low-Scoring-Game führte Joe Voigtmann sein Team mit 16 Punkten zu einem 59-56 Comeback-Sieg gegen Krasnoyarsk, bei denen mit DJ Kennedy und Tim Ohlbrecht zwei bekannte Namen aufliefen.
Im Finale kontrollierten die Italiener die ersten drei Viertel und erspielten sich so eine 47-38 Führung vor dem Schlussviertel. Auf beiden Seiten dominierten die Guards das Spiel, doch wie im Halbfinale drehten die Skyliners, angeführt vom späteren Final Four MVP Quantez Robertson, im vierten Viertel nochmal auf und gewannen das Spiel noch mit 66-62 zum ersten internationalen Titel der Frankfurter Vereinsgeschichte.
Den dritten Platz holte sich Chalon gegen Enisey mit einem deutlichen 103-72 Erfolg.
Nicht nur auf der Frankfurter Seite war das Final Four des Europe Cups ein Sprungbrett für einige Spieler. Devin Booker wechselte im darauffolgenden Sommer von Chalon zum FC Bayern, sein Back-Up, Mathias Lessort, kam über den Umweg Nanterre zu Crvena Zvezda und Vareses Brandon Davies wechselte nach einem Jahr in Monaco zum litauischen Top-Team Zalgiris Kaunas. Auch die junge Flügelzange Chalons, Axel Bouteille und Tyler Kalinoski schafften in den letzten Spielzeiten den Sprung zu internationalen Top-Teams.
Aber was wurde aus den Frankfurter Leistungsträgern, wie verliefen ihre Karrieren nach dem Titel?
Backcourt:
Jordan Theodore (Guard, 26): Theodore hatte nach wechselhaften Jahren in Frankfurt seine Breakout-Saison. Er wechselte im Sommer in die Türkei zu Banvit, mit denen er das Finale der ersten Champions League Saison 2016/2017 erreichte und für seine Leistungen den MVP Titel erhielt. Danach ging er zum italienischen Powerhouse Olimpia Milano für seine erste und einzige Euroleague-Saison und zu AEK Athen, die er als MVP zum FIBA Intercontinental Cup Triumph führte. Doch seine Karriere wurde im Anschluss auch wieder wechselhaft, bei keinem seiner folgenden Teams spielte Theodore über eine komplette Saison, selbst die knapp eineinhalb Jahren in Kazan waren durch 4 Monate Vertragslosigkeit geprägt. Mit dem russischen Team erreichte er 2021 noch das Finale des EuroCups, unterlag dort aber dem französischen Team aus Monaco. Im Frühjahr 2023 kehrte er nochmal zu den Skyliners zurück, um den drohenden Abstieg zu verhindern, doch es reichte nicht mehr. Im August unterschrieb er beim finanziell angeschlagenen Klub Boulogne-Levallois aus Frankreich.
Quantez Robertson (Guard, 31): Die Frankfurter Vereinslegende unterschrieb im Sommer 2009 seinen ersten Profivertrag bei den Skyliners und blieb ihnen bis zum Abstieg treu. Nach dem Titel blieb der Guard noch sieben weitere Jahre am Main, erreichte dort 2018 die Playoffs und blieb in all den Jahren ein Eckpfeiler im Skyliners-Kader. Eine Fußverletzung zum Saisonende 2023 sorgte für einen unvollkommenen Abschied von der Profikarriere.
John Little (Guard, 31): 2008 brachte John Patrick den Guard nach Deutschland zur BG Göttingen. Über Würzburg und Ludwigsburg kam der defensiv starke Little dann im Sommer 2015 nach Frankfurt. Im folgenden Sommer konnte man sich nicht auf eine Vertragsverlängerung einigen und so unterschrieb Little einen Kurzzeitvertrag beim BBL Aufsteiger Science City Jena. Nach sechs Wochen trennte man sich allerdings wieder und der Guard beendete kurze Zeit später seine Karriere ohne ein weiteres Spiel zu machen. Little begann daraufhin eine Karriere auf der Trainerbank, erst bei seiner Alma Mater Northern Iowa und ab 2019 dann beim G-League Team der Wisconsin Herd.
Konstantin Klein/Konga (Guard, 25): Bei Alba groß geworden, kam Konga, damals noch Klein, über die Station Gotha 2012 zu den Frankfurtern. Wie viele seiner Mitspieler verließ der Guard im Sommer 2016 Frankfurt und unterschrieb bei den Telekom Baskets Bonn. Nach zwei Jahren kam der Wechsel nach Ludwigsburg, wo er in seiner zweiten Saison Kapitän wurde, ehe er 2020 nach Frankfurt zurückkehrte. Verletzungsprobleme prägten die letzten Jahre seiner Karriere, wodurch sein sportlicher Impact begrenzt war. Seine letzte Saison spielte er 2021/22 bei den Eisbären Bremerhaven in der Pro A. Im Anschluss wurde er Sportdirektor beim SBB Wolmirstedt, denen er im Sommer 2021 bei den Aufstiegsspielen zur Pro B zum Aufstieg verhalf.
Max Merz (Guard, 22): Merz wechselte als 15-jähriger in den Nachwuchs der Frankfurter und lief bis 2017 für die Skyliners auf. Den Durchbruch schaffte er aber nie und beendete im Sommer 2017 seine Profikarriere.
Philipp Scrubb (Guard, 23): Nach seiner College-Zeit bei Carleton in Kanada unterschrieb Scrubb seinen ersten Profivertrag im Sommer 2015 bei AEK Athen. Durchwachsene Leistungen sorgten dafür, dass die Skyliners ihn im Januar 2016 bis zum Ende der Saison ausleihen konnten. Nach der Saison wurde fest verpflichtet, verpasste aber verletzungsbedingt die komplette Saison 16/17 und konnte so auch 17/18 von den Frankfurtern gehalten werden. Als bester Offensivspieler wechselte er dann zum EuroCup Team Zenit St. Petersburg 2018. Über Estudiantes, Limoges und Avtodor kam er 2022 zurück in die ACB zu Obradoiro, wo er an der Seite seines Bruders Thomas spielte.
Tomas Dimsa (Guard, 22): Mit 21 wechselte der junge Litauer im Sommer 2015 von Zalgiris Kaunas nach Frankfurt und wurde direkt mit einem Dreijahresvertrag ausgestattet. In Deutschland hatte Dimsa aber Anlaufschwierigkeiten und kam so nur auf 17 Spiele wettbewerbsübergreifend für die Profis und lief parallel auch vermehrt in der Pro B auf. Nach einem Jahr verließ er Deutschland wieder und wechselte zurück nach Litauen zu Prienai. Über Varese, Utena und Lietkabelis kehrte er 2020 zu seinem Jugendverein Zalgiris Kaunas zurück, wo er nach Leihen nach Spanien und Italien in der vergangenen Saison zur festen Rotation des Euroleague-Teams gehörte und seinen Vertrag bis 2025 verlängerte.
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Frontcourt:
Aaron Doornekamp (Forward, 30): Der zweite Kanadier im Team kam nach Stationen Italien und Braunschweig 2014 an den Main und blieb bis 2016 dort. Es folgte der Wechsel zu Teneriffa, mit denen er die Premieren-Saison der Basketball Champions League gegen seinen ehemaligen Teamkollegen Jordan Theodore gewann. Mit dem Titel im Gepäck zog es ihn zu Valencia, wo er seine Rookie-Saison in der Euroleague absolvierte und 2019 gegen Alba Berlin das Finale des EuroCups gewann. Nach drei Jahren kehrte er zurück zu Teneriffa, mit denen er 2022 erneut die Champions League gewann und wo er gerade bis 2025 verlängerte.
Johannes Richter (Forward, 22): Als 17-jähriger wechselte Richter in den Nachwuchs des Serienmeisters Brose Bamberg und konnte dort auch zwei Meisterschaften bejubeln, bevor er 2013 nach Frankfurt wechselte. Zusammen mit Konsti Konga wechselte er 2016 nach Bonn, wo ihm aber der Durchbruch nicht gelang und er 2017 zum ambitionierten Nachwuchsprojekt nach Gotha wechselte. Dort etablierte er sich zwar als BBL-Rollenspieler, konnte den Abstieg aber nicht verhindern und zog anschließend für zwei Jahre zurück in die Heimat nach Würzburg. Über Gießen und Hamburg landete Richter 2021 beim MBC, wo er seine bisher letzte BBL Saison spielte.
Stefan Ilzhöfer (Forward, 21): Ebenfalls 2013 wechselte Stefan Ilzhöfer an den Main. Nach dem Umbruch im Sommer 2016 etablierte er sich in der Frankfurter Rotation und spielte gut 12 Minuten pro Spiel in der BBL. 2017 verließ er allerdings den Main und wechselte an die Mosel nach Trier, wo er drei Jahre in der Pro A spielte, ehe der Wechsel nach Rostock folgte. Mit den Seawolves stieg er im Sommer 2022 in die BBL auf und blieb für die Premieren-Saison bei den Rostockern.
Danilo Barthel (Forward, 24): Mit 20 Jahren wechselte Barthel 2011 vom USC Heidelberg zu den Skyliners und spielte sich Jahr um Jahr nach oben. 2014 als Most Improved Player ausgezeichnet, wechselte der Big Man im Sommer 2016 zum FC Bayern. Mit den Münchnern debütierte er in der Euroleague und gewann 2018 und 2019 die Deutsche Meisterschaft. Nach vier Jahren verließ er Deutschland und wechselte zum türkischen Powerhouse Fenerbahce Istanbul, mit denen er 2022 die türkische Meisterschaft gewann. Allerdings waren die zwei Jahre in der Türkei auch von vielen Verletzungen geprägt, die ihn seit dem Auslaufen seines Vertrags 2022 auch weiterhin so behinderten, dass er seitdem kein Profi-Spiel mehr absolvieren konnte und in der Reha an einem Comeback arbeitete. Mit der deutschen U18 Nationalmannschaft gewann er im Sommer 2023 die Bronzemedaille, wo er als Assistenz-Trainer angestellt war. Ende August gab er sein Karriereende bekannt.
Johannes Voigtmann (Forward, 23): In Jena ausgebildet, wechselte Voigtmann 2012 in den Frankfurter Nachwuchs und wurde 2015 Nachfolger von Danilo Barthel als Most Improved Player . Nach der erfolgreichen Saison 2015/2016 kaufte ihn das Euroleague Team Baskonia aus seinem Vertrag und verpflichtete ihn für die nächsten drei Spielzeiten. Im Baskenland reifte er zu einem internationalen Top-Spieler, was ihm 2019 einen Vertrag beim europäischen Top-Team ZSKA Moskau einbrachte. Dort verlängerte er 2021 bis 2023, doch als Russland in die Ukraine einmarschierte, weigerte sich Voigtmann, dort seinen Vertrag zu erfüllen. Mit der deutschen Nationalmannschaft gewann er bei der Heim-EM 2022 die Bronzemedaille und wechselte kurz darauf zum italienischen Top-Club Olimpia Milano.
Mike Morrison (Forward, 26): Der Amerikaner wechselte 2014 nach Stationen in Belgien, Zypern und Finnland nach Frankfurt und blieb dort bis zum Sommer 2018. Nach einem kurzen Intermezzo bei Lietkabelis in Litauen kehrte er im November 2018 nach Deutschland zurück und unterschrieb bei S.Oliver Würzburg bis zum Saisonende. 2019 heuerte er bei Peristeri in Griechenland an und kehrte 2021 nach Stationen in Thailand und der Türkei nach Zypern zurück, wo er 2021/22 seine letzte Profi-Saison absolvierte.
Head-Coach:
Gordon Herbert (57): Herbert blieb bis 2019 Cheftrainer der Skyliners, ehe er den Posten an seinen Co-Trainer Sebastian Gleim abtrat, um Nick Nurse als Assistenz-Trainer seines Heimatlandes Kanada zu unterstützen. Zuvor war er bereits Chef-Trainer der kanadischen Nationalmannschaft gewesen, blieb aber bis 2020 als sportlicher Berater für die Frankfurter tätig. Nach Ablauf seines Vertrags wechselte er für neun Monate als Chef-Trainer nach Russland zu Avtodor, wurde aber im März 2021 aufgrund des schlechten sportlichen Abschneidens entlassen. Im September 2021 wurde Herbert als Nachfolger von Hendrik Rödl als Cheftrainer der deutschen Nationalmannschaft ernannt.
(Alter zum Zeitpunkt der Saison 2015/2016) -
Wow, so viele klangvolle Namen, so viele spannende Karrieren. Ich finde, dass die Frankfurter sich mit dem unglücklichen Abstieg eine Hommage dieser Art verdienzt haben. Ich freue mich, wenn sie bald wieder aufsteigen.
In dieser glanzvollen Zeit gab es ein witziges Video mit Tez Robertson und anderen Frankfurter Spielern, die sich für eine Ehrenveranstaltung (oder war es Karneval???) Anzüge kaufen gehen. Ich werde mal in den Untiefen des Internets graben.
Danke @Junes für den klasse Ausflug in die Geschichte!